Samstag, 11. August 2012

9.8.2012

Die Transsib

Viel zu früh am Bahnhof angekommen, machten sich schon meine Mitreisenden (hier nenne ich sie mal Lilly und mein Freund) Gedanken, wie die Reise wohl wird, wie die Leute wohl ausschauen, was die Betten wohl hergeben. Ich daneben, schon russische Zugerfahrung gehabt, konnte sie nicht wirklich verstehen. Zwar war es schon lange her, dass ich die viel zu schmalen Betten genießen durfte, aber ich konnte mich sehr wohl noch an die nicht vorhandene Klimaanlage erinnern... Doch auch in meinem Bauch brummelte es, denn die Reise begann an diesem Abend ja offiziell!

Als wir im unübersichtlichen Bahnhof die Wartehalle endlich gefunden hatten, reichte uns die Zeit bis Zugabfahrt doch nicht aus, um ausgiebig die Menschen zu beobachten. Wir versuchten das Spiel zu spielen: "Wer reist wohl mit uns?", doch schon bald wurde unser Zug ausgerufen und ganz andere Menschen begaben sich zu Gleis, als wir vermutet hatten. Im Endeffekt waren es normale Menschen, keine Gastarbeiter, keine Saufbolde, keine chinesischen Händler, die es zum Gleis zog.

Nachdem wir endlich das Gleis fanden fuhr endlich der Zug ein und Lilly dokumentierte unsere erste Abfahrt fotografisch.

Kurzer Exkurs, wie die russische Bahn funktioniert: Beim Reingehen wird das Ticket kontrolliert, drinnen suchst du dir deinen Platz, dann wird dir ein kleiner Herzinfarkt provoziert mit den Worten "Zeigen Sie mir bitte mal Ihr Ticket, da ist anscheinend eine Doppelbuchung auf Ihren Platz passiert!", später wird die Bettwäsche ausgeteilt (natürlich gegen Geld) und alles das unter den wachsamen Blicken der Einheimischen Reisenden, da sie sich wundern, was Ausländer wohl hier in der dritten Klasse verloren haben...

In der dritten Klasse ist alles nicht so schlimm wie es sich anhört. Klar sind in einem Waggon 56 schwitzende Menschen mit Schweißfüßen aneinandergereiht, aber jeder hat sein (viel zu kleines) Bett für sich, alle sind noch so sehr von der sowjetischen Zeit gezeichnet, dass sie sehr gerne mit dir teilen und zwei Klos (stinki) gibt es auch. Die Zugbegleiter sind für russische Verhältnisse sehr nett und es kommt ma auch der Chef vorbe und fragt, ob denn die Herrschaften mit dem Service zufrieden ist. Außerdem wischen die Zugbegleiter sogar zwei Mal am Tag den Waggon.

Die meiste Zeit wird geschlafen, von anderen beobachtet (als lustiger Ausländer), gegessen. Die sonstige Zeit wird sich über Hitze, Kopfschmerzen und das kurz laute Radio beschwert.

Es ist faszinierend, wie schnell man ans Reien adaptiert. In Deutschland schienen uns die Zeiten 28h oder gar 58h Zugfahrt unmöglich und unmenschlich. Doch sobald die russische Lok betreten wurde, ist plötzlich die deutsche Nörgelei abgefallen und die Zeit mit Humor genommen. Das liegt meiner Meinung nach an der allgemeinen Stimmung, die im Zug herrscht - alle sind bequem. Das erste, was gemacht wird, ist Umziehen. Jeder zieht seinen Chillanzug an: Pyjamas, Muscleshirts, Hotpants, Nachtkleider. Es wird sich ins Bett gekuschelt, aus dem Fenster geschaut, gelesen und geredet. "Wie lange fahren Sie?" - "Ach, nicht lang, nur 36 Stunden". Und so adaptiert man und hält die restlichen sechs Stunden, die man fahren muss, für einen zeitlichen Katzensprung. Und auf die 58 Stunden nach Irkutsk freuen wir uns schon.

Der einzige Fehler, den wir gemacht haben, ist der mit dem Einkaufen. Wir haben uns einen Tag von wirklich widerlichem Dosenfutter genährt, während die Menschen neben uns frische Tomaten, Gurken und Eier ausgepackt haben. Memo vermerkt.

Nein, jetzt habe ich den anderen Fehler vergessen: unsere Packkünste sind verbesserungswürdig! Im Zug ist uns nämlich aufgefallen, dass wir die Zahnputzsachen lieber griffbereit gepackt hätten.
Aber aus jedem Fehler lernt man ja und so kann man sich schon auf die nächste Gelegenheit freuen, in der man beweisen kann, dazugelernt zu haben.

Erste Zugfahrt war letztendlich recht spannend.
Nur leider haben sie an der Klimaanlage nichts geändert. :(

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