Mittwoch, 5. September 2012

21.08.2012

Ulan Bator, Ulaan Bataar und Ulachn Bchatchr

Um 6 Uhr früh, bei einer gefühlten Temperatur von 5°C und der Angst, auf dem im Reiseführer als unsicher beschriebenen Hauptbahnhof bis auf die Unterhose ausgeraubt zu werden, kamen wir in der Hauptstadt Mongoliens an. Für alle, die es noch nicht wissen: von den schrecklichen Mongolen, die mal fast den halben Erdball beherrscht hatten, sind jetzt nur noch 4 Millionen übrig und davon lebt eine in der Hauptstadt, Ulan Bator - oder wie zum Teufel man es auch immer schreibt und ausspricht. Wir Deutschen schreiben jeden Buchstaben nur einmal, während die Mongolen jeden Vokal verdoppeln, dafür aber vollkommen unverständlich aussprechen.

Gleich am Gleis wurden wir von unserer Hostelmutter empfangen, eine kleine Mongolin, die in wunderbaren Englisch erklärte, dass man ihr Hostel, was nicht ausgeschildert ist, niemals alleine findet und ihr Mann setzte uns ins Auto. Wir fuhren links rechts links und waren schon da. Der riesige Plattenbau, auf dem die Eingangsnummern schon von der Zeit und dem Wetter unleserlich gemacht worden waren, starrte finster auf uns herunter und senkte unsere Erwartungen. Doch im fünften Stock offenbarte uns die kleine Wohnung Komfort und lud mit den wunderbar breiten Bette auf ein Nickerchen ein, das wir nicht abhalten konnten, da der Termin bei einer Ökötourismus-Organisation nach uns rief. Und so legten wir nur unsere Sachen ab, gingen nochmal schnell aufs Klo, dessen Stoffklobrille (!) lose war und unter den Po geschoben werde musste, verrichtete man im Sitzen, und spurteten aus der Wohnung, deren 3 der 4 Zimmer das Ehepärchen an Reisende im Sommer vermietete.

Draußen merkten wir, dass Mongolen anscheinend Spätaufsteher sind, da kein einziger Supermarkt um diese Zeit offen war und sonst auch kaum Menschen zu sehen waren, was man ja eigentlich von einer Hauptstadt erwartet... Doch der hungrige Magen trieb uns weiter und endlich fanden wir eine Nudelsuppenfastfoodkette, wo wir uns die lapprigen Teigfäden mit ein bisschen Phantasie und mongolischem Milchtee schmecken ließen.

Endlich das Tourbüro gefunden, besetzten wir in dem kleinen Zimmerchen von 5 qm die besten Plätze und warteten ungeduldig auf unsere Einführung.
Folgendes nämlich haben wir uns noch vor der Einreise in die Mongolei gebucht: Zwei Tage und eine Nacht würden wir von nomadischen Familien zu nomadischen Familien ziehen, schauen wie sie leben, reiten, Ochsenkarrenfahren und typisch essen, während wir das Leben auf dem Land kennenlernten. Doch uns schwarnte Böses, während wir die Organisatoren der Reise beobachteten. "Die haben es ja überhaupt nicht drauf", flüsterte mein Freund mir zu, während die überforderte Mongolin die gerade dazugekommenen fünf Finnen wortlos anstarrte.

Die fünf Finnen, alles Mediziner, ein Jahr nach ihrem Staatsexamen, glänzten mit ihrer klischeehaften Gesprächslosigkeit und waren ganz froh, dass die extrovertierte Enni die Zügel in ihrer Gruppe und gleichzeitig das Reden übernahm. Zu fünft machten sie, wie wir, die transsibirische Reise, bevor sie wieder mit ihren Jobs oder der Arbeitslosigkeit in den großen Städten Finnlands konfrontiert werden.

An dieser Stelle mag ich einen Witz erzählen, der demonstrieren könnte, wie gesprächig Finnen sind (nicht vergessen: ich bin Viertelfinnin, ich darf mich lustigmachen!):
Kommt ein Finne in eine volle Bar, sagt "Hallo, ich hätte bitte ein Bier" und setzt sich hin. Nachdem er sein Bier ausgetrunken hat, steht er auf und geht. Als er aus der Tür ist, meint ein anderer Finne zu seinem Freund: "Labertasche!"

Um uns auf unseren Besuch vorzubereiten, erhielten wir eine Einführung in die mongolische Sprache und die mongolischen Bräuche. Die Bräuche waren nützlich - zum Beispiel lernten wir, dass es ein schlechtes Omen ist, in einer Jurte zu pfeifen. Weiter darf man nicht auf die Schwelle treten, nur im Uhrzeigersinn in der Jurte gehen, nicht mit den Füßen zum Altar sitzen, aber vor allem nicht pfeifen! Und wann man Schnupftabak angeboten bekommt, muss man ihn mit halbverschränkten Armen annehmen. Das alles versuchten wir uns schnell in unsere Köpfe einzutrichtern, damit wir auf keinen Fall am nächsten Tag unseren nomadischen Gastgebern auf die Füße steigen, doch so viele Regeln ließen unsere Ohren klinglen. Und als es dann zur Spracherziehung kam, verließ mich persönlich komplett meine Konzentration und ging zur nächsten Strandbar Mochito schlürfen. War auch nicht schlimm, weil es sowieso nichts gebracht hat. Entweder war unsere Lehrerin viel zu milde eingestellt und sah es nicht ein, uns Ausländer in unserer Aussprache zu korrigieren, oder sie sah den Sinn eh nicht, da die europäischen Zungen nicht vorbereitet waren auf die extraordinären Sprachweisen der Mongolen. Denn die Mongolen können wahre Wunder mit ihrem Mund - sie sondern während dem Reden Zisch-, Blubber- und Schlürflaute ab, ohne dass sie spucken, und machen es jedem schwer, es nachzumachen.
Beispiel: "Danke" wird im Mongolischen "Bayarlalaa" geschrieben und während die Lautschrift behauptet, es muss als "Bayarla" ausgesprochen werden, lässt die Wirklichkeit folgendes hören: "Baychchchrchchchlaaa" (dabei werden die "ch" Laute an den Seiten der Zunge produziert und hören sich sehr feucht an). Und wer das jetzt ohne Spucken aussprechen kann, kriegt von mir einen guten Kopfer auf die Schulter.

Während der wir unseren Vormittag in dem Tourbüro verbrachten, lernten wir am Rande schon Iwan kennen, einen russisch-italienischen Künstler, der sich mit seiner wehenden Mähne und seiner schlaksigen Gestikulation lautstark über den bösen Menschen aufregte, der seine Kamera geklaut hatte. Er war wirklich aufgebracht, später fanden wir raus, dass er auch Fotograf ist. Die Trauer jedoch verflog bald, denn er kaufte sich am gleichen Tag die Kamera nochmal. Am nächsten Tag sollten wir dann rausfinden, dass er mit uns zusammen in das Abenteuer zog.

Fertig mit unserer Einführung und nochmal vergewissert, wann und wo wir am nächsten Tag sein sollen, um vom Bus zum Nationalpark Terelj bringen zu lassen, gönnten wir uns ein Taxi nach Hause, wo wir uns unserem wohlverdienten Nickerchen hingaben.
Doch genau in diesem Moment bahnte sich in den Gedärmen meines Freundes das große Unwetter des 3-Sekunden-Eises an, das er am Vortag vom Boden Mütterchen Russlands gefuttert hatte. Von Bauchschmerzen geplagt musste mein Freund der Ulan Bator Stadttour absagen, die wir mit Lilly dann allein machen durften.

Von der vollkommenen Weiblichkeit unserer Gruppe beflügelt, wanderten wir in die Stadt heraus und besuchten die zwei einzigen Sehenswürdigkeiten, die Ulan Bator zu bieten hat: Den Lamatempel, der genausoviele Gebetsmühlen wie Tauben beherbergte, nämlich unendlich im Quadrat, mit der 16 Meter Lamastatue, und den Platz der Regierung, an dem der Patriotismus stark und die Geschäfte teuer waren.
Der Lamatempel barg für mich ein Gefühl der Vollkommenheit, obgleich die Straßen verbeult waren, die Tauben ein Gefühl des Ekels auslösten und die Gebetsmühlen mich nur zur Unaufmerksamkeit gegenüber tiefhängenden Dächern und der größten Beule am Kopf in dem Urlaub brachten.

Am Abend gönnten Lilly und ich uns ein Hotpot Essen, wo man frische Lebenmittel direkt in einem vor dir stehenden Topf ankochen und dann das Fleisch, das Tofu, die Pilze und das Gemüse verspeisen konnte, während mein Freund noch mit den Nachwehen des Eises daheim im Bett lag und mongolischen Zwieback kaute.

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