Sonntag, 26. August 2012

17.08.2012

Der Fischer und die Seele des Baikals

Der Tag fing fuer mich, obwohl uns die Sonne gnaedig schien, grau an. Die Nacht, eine der kaeltesten, die wir erlebt hatten, wurde durch ein schrilles Klingeln des Weckers beendet, dessen Aufenthaltsort unbekannt war. Da mein Freund den Wecker gestellt und versteckt hatte, war es meiner Meinung nach seine Aufgabe, ihn ruhigzustellen, aber nach schon ein paar Minuten war klar, dass die Oropax meines Freundes ziemlich potent sind. Nach laengerem Suchen des Weckers war mir klar, dass ich nun schlechte Laune habe und ich fing an, meinen Freund im Bett am anderen Ende des Zimmers mit Sachen zu beschmeissen, die in Reichweite waren. Mein Medizintaeschchen und andere Gegestaende schienen ihm nichts auszumachen, doch als ich schon meinen Schuh nach ihm werfen wollte, machte er endlich die Augen auf, blickte leicht verstoert die Sachen neben ihm an und befreite seine Ohren. Das Aufstehen fiel mir heute nicht leicht und auch die Musik, die mein Freund direkt neben meinem Ohr laufen liess, machte es mir nicht leichter. Am Ende musste ich doch aufstehen und in die Sonne, die immernoch froehlich schien und mich auslachte.

Die Sonnenstrahlen waermten uns so sehr, dass wir entschieden, draussen zu fruehstuecken und nicht in der Gemeinschaftskueche, doch der kalte Wind vom Baikal blies auch durch unsere Pullis durch. Mal legte sich ein Pferd neben unsere Fruehstuecksecke, mal versuchte eine Kuh, an ein paar Leckerlis ranzukommen. Aber wir hatten selbst nicht mehr so viel, deswegen jagten wir jeden Konkurrenten davon.

Nach dem Fruehstueck stand eine Hoehlenbesichtigung auf dem Plan, doch der wurde fuer mich mit Fischen ausgewechselt. Schon gestern hatten mich ein paar Fischer aus einem der 5 Haeuser des Dorfes (falls man das nennen kann) angesprochen, ich soll sie doch mal besuchen. Ich, Paranoiakind, laechelte, bejahte und lief so schnell wie nur moeglich weg. Doch heute sahen sie im Sonnenlicht sehr nett aus und ich bekreuzigte mich innerlich, als ich dem Angebot, mit fischen zu gehen, zusagte.
Schnell eine Weste geholt und ins Boot gesprungen, und schon peitschte mir der kalte Wind ins Gesicht. Die Sonne zwinkerte mir zu und der Baikalsee begruesste mich mit seinen Wellen, die gegen das Motorboot klatschten. Die Berge auf der anderen Seite des Sees erinnerten mich immer wieder, dass ich nicht am Meer bin und die salzige Luft fehlte auch. Doch alles andere, der Wind, die Wellen, die Fischer - ich konnte nicht anders, es war fuer mich ein Meer.
Als wir an einer einsam schwimmenden Plastikflasche ankamen, stoppten wir, der eine Fischer, Alexandr, zog an ihr und entbloesste das Netz. Iwan, der andere Fischer, leitete mich an, wie ich (aus Leibeskraeften) rudern soll, um das Netz zu drehen und die Fische darin zu fangen. Lange hat es nicht gedauert, da stand mir auch schon der Schweiss im Gesicht. Doch mit jedem Zentimeter Netz, das an die Oberflaeche kam, wurden die Fischer enttaeuschter und muerrischer - keine Fische. Nur kleine, mittelfingerlange Fischis mit langen Vorderflossen konnte ich bergen, waehrend Alexandr und Iwan schon anfingen, aus Jux, die Frau an Bord zu beschuldigen.

Doch dann, relativ spaet zeigte sich ein grosser, um sich schlagender Fisch. Gefangen im Netz, wurde er mir uebergeben und ich befreite ihn. Der Fang wurde gleich mir zugeschrieben und Iwan lud mich mit meinen Freunden zum Essen ein - "Ein Kilo Fisch, den werd ich euch gleich braten!"

Mit dem Boot holten wir schnell meinen Freund und Lilly ein, die langsam in Richtung Hoehlen trotteten. Ich gesellte mich zu ihnen und wir verabschiedeten uns von den Fischern - bis gleich.

An der Hoehle, die man erst nach einem Dickicht und einem steinigen Aufgang erreicht hat, hatte man einen wirklich atemberaubenden Blick auf den Baikalsee, der sich zwischen den Bergen und Klippen erstreckte. Die Hoehle selbst, fuehrte in einen kleinen Tunnel, der mir persoenlich Platzangst machte. Nachdem wir fotografisch die Gegend dokumentierten, marschierten wir rasch zurueck zum Dorf, wo uns der Fisch erwartete.

Iwan zerschnitt ihn, tupfte ihn in Mehl und Salz, legte ihn dann in die heisse Pfanne, wo er einen wunderbaren Duft verstroemte und nicht nur den Kater von draussen reinlockte. Im Fischerhaeuschen wurden wir dann zu Tisch gebeten und wir liessen den frisch Gefangenen und Gebratenen schmecken. Waehrenddessen erzaehlte uns Iwan mit seiner sonnengegerbten Haut, seinem vom kurzen Bart verschleierten Gesicht und seinen blauen Augen von seinen Toechtern, fuer die er sorgt, von seinen Enkeln, die er ins Dorf holen will, von seinen Plaenen, die Fischerhuelle heimelig zu machen und von seiner Vergangenheit, in der er viel in der Touristenbranche gearbeitet hat. Mit ein paar chinesischen Worten vermochte er uns auch zum Lachen zu bringen, waehrend wir den Fisch mit Kartoffeln verputzten. Gleich darauf wurden wir mit Wodka verkoestigt und durften einem echten russischen Toast beiwohnen, der ueber die Seele des Baikals und unsere Reise handelte.

... Fortsetzung folgt...

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