Sonntag, 9. September 2012

24.08.2012

Die letzte Nacht im Zug

Als der Wecker uns am nächsten Morgen früh aus den Betten schmiss, waren unsere Hosteleltern noch im Bett. Wir schoben unser Frühstück schnell in den Mund und vergaßen, einen Dankeschönzettel (für den in allen Sinnen warmen Aufenthalt) zu hinterlassen. Die Kleidung, die wir noch vor dem Ausflug in die Steppe im Waschbecken mit Lillys Handwaschmittel mixten und so schonend wie möglich ausgewringten, waren zu unserem Erleichtern trocken und wir stopften sie als letzte wohlriechende Anziehsachen in unsere Rucksäcke.

Woran man sich wirklich nicht gewöhnt bei einer Fahrt wie dieser, ist das ständige Leben aus Tüten. Nirgendwo kann man auspacken, Kleider nebeneinanderlegen und überlegen, welche Kombination man heute mal ausprobiert - am Anfang nimmt man sich die Zeit dafür vielleicht, doch in diesem Abschnitt der Reise wird nur noch an den Kleidungsstücken gerochen, und entweder das Ergebnis ist naserümpfend oder - "basst scho!".
Das sich wiederholende Zusammenpacken kann nie perfekt sein, da man immer plötzlich das braucht, was gerade heute ganz tief im Rucksack sitzt.
Und der Schweiß, der Dreck und die Flecken, die sich auf und in den Kleidern sammeln, lassen den Rucksack schwerer und schwerer machen...

Um halb sieben pünktlich betraten wir unser Abteil und betrachteten das Schauspiel, das sich uns bot. Ein klappriger kleiner Ventilator hing mit seinen letzten Kräften über dem Fenster, deren Rahmen schwarz vor Staub war. Über die Betten, mit einem kitschigen, blauen Überzug mit Schleifchen dekoriert, bezogen wir sofort mit Bettwäsche, da wir sie ungern mit baren Händen anfassen wollten. Auf dem Boden lag ein schmutziger kleiner Teppich. Alles schien nach unserem Luxus im vorhergehenden Zug unsteril und gar ansteckend zu sein, doch wenn wir uns in die Betten legten, die Augen schlossen, dem rhythmischen Rattern des Zuges lauschten und vom Schwanken eingelullt wurden, fühlten wir uns wieder heimelig und wohl.

Leider waren wir in unserem Viererabteil nicht alleine, ein in alle Richtungen großer Schwede von den nördlichen Breiten begleitete uns, schweigsam wie ein Finne, dafür aber konnte er beim Schlafen sehr laut auf sich aufmerksam machen. Er schnarchte nicht, nein, er sägte den Tag über und in der Nacht, sobald seine Augen zufielen, im Sitzen, auf dem Rücken, auf der Seite - egal, das laute Grunzen und Gurgeln drang durch unsere Oropax und vermischte sich mit unseren Träumen.
Abgesehen von seinem Schnarchen war er aber ein sehr freundlicher und interessanter Mensch, Fotograf, der um die Welt reist, um seinen Beruf mit Spaß und Freude zu verbinden.

An unserem Fenster flog die Wüste Gobi vorbei, die wir schon gespannt erwartet hatten. Der Sommer war dieses Jahr gnädig und der Regen hatte Pflanzen hinterlassen, sodass auf den felsigen Sandweiten kleine Büsche wuchsen. Die Büsche lockten Tiere an, die Tiere hingegen Menschen und so sahen wir ab und zu Pferdeherden, die sich zusammen tummelten und mit Kopfnicken versuchten, die Fliegen zu verscheuchen, einige Kamele, die wiegend auf dem Weg zu Wasserstellen trödelten, und hier und da eine Jurte, weit ab von jeglicher Zivilisation. Die Straße, die fast parallel zu unserem Zug verlief, war spärlich befahren, nur manchmal erblickten wir mal einen Laster, der einsam am Horizont entlang fuhr.
Unser Fenster war leicht geöffnet, als plötzlich der chinesische Zugbegleiter hereinstürzte und mit den Armen fuchtelte, wir sollen es schließen. Ein Sandsturm wirbelte auf und schlug mit seinen Bestandteilen gegen den Zug, und als das Fenster dann zu war, spürten viele das Knirschen auf den Zähnen.

Als es schon anfing zu dämmern, hielt der Zug und wir kamen an unserer letzten Grenze an. Die mongolische Passkontrolle kam und ging, und wir waren nicht im Mindesten aufgeregt. Wenn am russisch-mongolischen Grenzübergang noch eine gewissen Spannung in der Luft hing, was uns dazu bewegte, aufrecht und still in unserem Abteil zu sitzen, mit unseren Pässen in der Hand, so wurden wir nun von den Grenzbeamten in unmöglichem Benehmen, unsäglichen Sitzpositionen und lautem Gesang angetroffen.

Wann wir mit dem Singen angefangen haben, weiß ich nicht, ob es vor dem Wodka oder danach war, vor der strengen chinesischen Passkontrolle oder danach, kann ich nicht rekonstruieren. Aber der Wodka, den wir schon seit Russland mitschleppten, musste weg, auch wenn wir keine Russen hatten, die wir mithilfe unseres Schnapses zu Freunden machen konnten. Ich hatte Angst, es könnte verboten sein, Wodka im Zug zu trinken (in den russischen Zügen stand es als Verbot Nummer 1 in den allgemeinen Informationen) und so musste das Feuerwasser schnell weg.
Wir spielten ein Spiel: jeder muss ein Lied singen, was bald außer Kontrolle lief. Es gipfelte in einem Duett "Das Weihnachtsoratorium", wobei mein Freund auch wirklich die Noten aus dem Chor kannte, und später gab ich ein Solo "Die Zauberflöte" zum Besten, in voller Lautstärke und mit verschiedenen Stimmen und Charakteren. Lilly, die sich weigerte zu singen, aber versuchte, die chinesische Hymne zu rekonstruieren, saß uns gegenüber und starrte - dass so wenig Wodka so viel anrichten könnte?, fragte sie sich wahrscheinlich.

Im lonely planet, unserem Reiseführer, gab es einen Abschnitt: Wartungshalle. Es wurde empfohlen, aus dem Zug auszusteigen, mit Kopflampen an den Gleisen entlang zu gehen, um dann die Anhebung des Zuges und das Wechseln des Fahrgestells beobachten zu können. Darauf freuten wir uns schon seit wir den Zug betreten hatten, doch hatten wir nciht damit gerechnet, dass seit dieser Textabschnitt im lonely planet existierte, so viele Touristen diesem Geheimtipp folgten, dass das Aussteigen aus dem Zug nun verboten wurde. Deswegen mussten wir den Fahrgestellwechsel aus dem Zug heraus beobachten, was unserer angeheiterten Laune kein Bisschen schlechttat, denn das Singen ging dann am Fenster weiter, während wir argwöhnisch von unseren Mitreisenden beobachtet wurden. Wie die anderen Touristen hängten auch wir unsere Köpfe aus den Fenstern, um penibel genau die Tätigkeit der Arbeiter zu beobachten, die überwachten, wie der Zug von gelb-schwarz (CDU-FDP Koalition) gestreiften Metallstäben ganz langsam hochgehoben wurde.

Wir sangen EAV (erste allgemeine Verunsicherung) und wurden gleich von einer schwiizer Familie angesprochen, deren Tochter daran Gefallen fand, mir alles über ihre Kuscheltiere zu erzählen.
Ich hörte erst gespannt, dann genötigt und dann gähnend zu. Oft erwähnte ich, dass ich jetzt ins Bett gehen will, doch das Mädchen, benannt nach einem Schmuckstein, nahm das zum Anlass, über ihr Zahnputzverhalten und ihre Reise nach Panama, die sie kaum in Erinnerung hatte, zu referieren. Endlich vom Kind geflohen und wieder zu meinen halberwachsenen Freunden gesetzt, waren wir auch schon bald mit dem Fahrgestellwechsel fertig und fuhren in unsere erste chinesische Stadt ein.

Die Luft war angenehm kühl und entspannend, nach einer Reise, die vom klapprigen Ventilator begleitet wurde. Im Bahnhof lief die Masse an Reisenden sofort zum Bahnhofsladen, um den ersten Einkauf in China zu lächerlichen Preisen zu machen. Wir kauften uns Wasser (Tee konnten wir schon gar nicht mehr sehen) und frische Früchte, die als wir uns an einen stillgelegten Brunnen setzten, nach einem Hauch von Nichts mit künstlichem Beigeschmack schmeckten.

Wir setzten uns in das von Schnarchen gefüllte Abteil und der Zug setzte sich in Bewegung - zu unserem letzten Ziel: China.

Freitag, 7. September 2012

23.08.2012

Bei den Nomaden

Am frühen Morgen, als der kleine Jurtenofen schon lange ausgebrannt war und die morgendliche Kälte durch die Schlitze zog, Iwan schon längst zum Meditieren verschwunden war und die Mücken sich zum Schlafen verzogen haben, robbten wir aus unseren kuschlig-warmen Schlafsäcken ("Ich will auch so einen") und empfingen das Frühstück der Nomaden. Es gab wieder Sahnebutter, die wir uns gierig aufs Brot schmierten. Schon bald kam die Nomadenmutter mit ihrer altmodischen Nähmaschiene und der Nomadenvater zeigte uns, wie man mit Hilfe eines Streichholzes ein Stück zusammengenähten Stoff zu einem Schlauch macht. Mit diesem kleinen weißsilbernen Schlauch, der im Durchmesser so dick war wie der Nagel meines kleinen Fingers, übten wir uns im Fädeln, was - wenn uns die Nomadenmutter half - in einem mongolischen Knopf resultierte. Wir ächzten und knüpften, wir fädelten und zerbrachen unseren Kopf, doch ganz alleine gelang es uns nie, die Anordnung der Schleifen und Schlauchenden nicht durcheinander zu bringen, doch unsere Knöpfe wurden reichlich hässlich, falls wir unsere Finger nicht mit einfädelten.

Dann haben wir unser Guidebook benutzt, um mit Hilfe der Sprachseite dem Familienherrn zu erklären, dass wir reiten wollten. Der führte uns zu einem wirklich apathisch dreinblickenden Pferd, das reichlich unglücklich damit aussah, irgendwelche Touristen auf seinem Rücken durch die Gegend transportieren zu müssen, doch der mongolische Familienvater zerrte es am Zügel und es trug uns nacheinander ein paar Schritte.

Iwan der Künstler, der seine Pferdehaarallergie durch Reiten bekämpfen wollte, setzte sich aufs Pferd, ließ ein Foto von sich knipsen und sprang dann niesend und augenreibend runter. Auf seiner Blogseite hat er den Grad seiner Augenröte nach der Pferdexposition dokumentiert - man kriegt das Bedürfnis, ihm Medizin per Post zu senden.
Doch heute gab es einen Zwischenfall mit Iwan dem Künstler. Nachdem er gestern die Lebensart der Nomaden in ihrer Einfachheit angepriesen hatte, weigerte er sich heute, auf das 10 Minuten entfernte Plumsklo zu gehen. Dazu muss man sagen, dass dieses Plumsklo an sich den Namen nicht einmal verdient hatte. Es war einfach eine Grube, auf der zwei Bretter zum Hinhocken gelegt wurden. Diese Grube war nach hinten und zu den Seiten mit einem einmeterhohen Zaun umschlossen, nach vorne war das "Klo" offen, sodass nervöse Pinkler ein Problem damit hatten, die Menschen, die Kühe und andere Tiere zu ignorieren. Iwan nahm sich das Klopapier und trottete zum Fluss, nachdem er sagte, er suche sich einen schönen Platz am Fluss für sein Geschäft. In meinem Kopf klingelte es, als ich mich an unsere Einführung im Tourbüro erinnerte: "Do NOT make a 'number 2' at the river! They drink from the river!"
Aber als alle Iwan darauf aufmerksam machten, sein Geschäft in der Klogrube zu verrichten, warf er einen Blick in ihre Richtung, verzog das Gesicht und fing an zu diskutieren, dass doch die Kühe auch überall ihre Spuren hinterlassen.
"But honey", schrie er mich an, während ich meine Hände in die Seiten stemmte und verständnislos den Kopf schüttelte, "there's shit everywhere, tell me, why can they shit here and I mustn't?!"
"Because they are only eating grass!", kam mir die Österreicherin Dani zu Hilfe, die schon seit einer Woche bei der Familie lebt. Dani hatte sich im letzten Jahr in die Mongolei so verliebt, dass sie in diesem schon einen ganzen Monat hier verbringt mit Rumreisen, mit Nomadenfamilien wohnen und die Natur genießen.
Daraufhin konnte Iwan der Künstler nichts erwidern. Aber auf die Plumsgrube ist er nicht gegangen.

Danach wurde der Ochsenkarren beladen, es ging weiter zur dritten Nomadenfamilie. Vom Karren aus winkte ich den Kindern zu, die gerade auf einen Hügel hochspazierten. Nur der kleine Merger fuhr mit seinem Opa und uns mit und durfte auch mal den Ochsen schlagen. Diese Fahrt war weniger brutal, da der Fahrer genau wusste, wie er mit dem Ochsen umgehen sollte, er peitschte ganz leicht mit einem dünnen Stück Kabel seinen Bauch, was ihn zu einem schnellen Schritt ermutigte - einige Male rannte der Ochse sogar und überholte den zu Fuß laufenden Iwan. Iwan der Künstler wurde von meinem Freund begleitet, der aus Interesse ihm zuhörte; er erzählte von den Traumworkshops, die er hinter sich hatte, von seiner Karriere auf MTV bei Top of the Pops, seinem Blog (the love train), den er nur für seine Freundin macht und wo er bei jeder Gelegenheit Menschen aufnimmt, die über die Liebe erzählen, und von seinem Seelenheil. Währenddessen sonnten Lilly und ich uns auf dem Karren, der über Stock und Stein und auch durch kleine Flüsse gezogen wurde.

Die Aussicht war phänomenal: einsame Schäfchen und Kühe auf Gipfeln, von denen man kaum eine Seele sieht, einsame, nicht zuendegebaute Winterlager für Nomadenfamilien, die sich gerade im Sommerlager auf den Umzug vorbereiteten, Grassteppe, so weit, wie das Auge reicht... Und diese Stille...

Auf dem Weg verließ uns Iwan der Künstler, der seinen Flug nach Peking heute Abend nicht verpassen wollte. Er wollte am Liebsten den Bus vom Terelj National Park um 14 Uhr nehmen und war überdrüssig, als der Nomadenvater ihm einen Platz auf einem Transporter um 12 Uhr besorgte, den man noch per Hand aufziehen musste. Iwan meckerte, kletterte aber trotzdem auf die Ladefläche, auf der ihm der Wind die Locken aus dem Gesicht fegte. Wir winkten ihm Adieu und waren uns nicht im Mindesten bewusst, dass er eich waschechter Prominenter war.

Bei der dritten Familie wurden wir von drei Kindern begrüßt, deren Augen aus ihren dreck- und popelverschmierten Gesichtern leuchteten. Die Mutter bat uns zum Tee und wir probierten ihre selbstgemachten Quarkspritzplätzchen, von denen meinem Freund auch nur beim Gedanken noch den ganzen Tag übel war. Danach durften Lilly und ich zusammen mit Arztspritzen weitere Plätzchen machen, während mein Freund den größten Abstand zwischen sich und dem Quark suchte, der ihm so schlimm Brechreiz bescherte. Nachdem wir unsere unschöne Produktion beendeten, beanspruchten die Kinder unsere ganze Aufmerksamkeit. Sie wollten geflogen, geritten und geworfen werden und setzten ihre Wünsche durch Schlagen, kneifen und Würgen durch. Dadurch lernten wir ein wichtiges mongolisches Wort kennen: "Uguy!" - "Nein". Wenn ich jetzt überlege - ich weiß nicht, was "ja" bedeutet...

Sobald wir ein bisschen Ruhe von den rabiaten, aber trotzdem süßen, Kindern mit ihren grün-schleimigen Rotznasen hatten, legten wir uns in die Sonnen und dachten über den Sinn des Lebens nach, bis wir in einen Dämmerschlaf fielen. Doch der Hunger trieb uns in die Küche, wo die Frauen schon das Essen bereiteten. Lilly, mein Freund und ich boten natürlich unsere Hilfe an, die die zwei Schwestern, eine 23, ein Kind, die andere 16, verheiratet, gerne annahmen und dann aber staunen mussten, wie ungeschickt wir den Teig kneteten, rollten und klebten. Ich bin mir sicher, dass für mindestens heute Abend von den deutschen Frauen geredet wurde, die in der Küche ja gar nichts taugen. Vor allem ich, kein Freund von Teig im Allgemeinen, rollte unförmig hässliche Lappen aus und versuchte verzweifelt eine Möglichkeit zu finden, die Füllung darin einzuschließen. Die mongolische Frau schloss - zack, zack - ganz schnell das Lammfleisch und den Kartoffelbrei in den Teig ein und lachte meine Versuche laut aus. Die gefüllten Taschen wurden in heißem Öl gebraten und schmeckten so herrlich knusprig und fleischig, dass jeder von uns Nachschlag wollte.

Die Zeit war vorangeschritten und unser Bus kam schon in einer dreiviertel Stunden, als wir uns wieder auf einen Ochsenkarren pflanzten und von einem 15-jährigen mongolischen Jungen mit einem frechen Lächeln und einer Hand voll grauen Haaren in Richtung Busstation gefahren wurden. Dabei versuchten wir zu kommunizieren und als uns allen der Nerv ausging, zu raten, wie die Aneinaderreihungen von Buchstaben wohl ausgesprochen werden, sangen wir alle zusammen. Es mag ein schräges Bild abgegeben haben, als wir da zu viert auf einem Ochsenkarren "Love me love me, say that you love me" erst summten, dann immer lauter wurden und als uns dann der Text fehlte, wir auf Shakiras "Waka waka" in dröhnender Lautstärke übergingen. Vor allem, als wir dann einen breiten Fluss mit eisigem Wasser und starker Strömung durchquerten und die Wellen uns fast am Hintern kitzelten, sangen wir laut und beteten insgeheim, nicht von der Strömung erfasst und nass zu werden.
Ein paar Touristen saßen am Flussufer, von unserem Gesang angelockt, fotografierten sie uns, den Ochsen und die wagemutige Aktion, die ganz schön feucht hätte ausgehen können (ich bin mir sicher, die Touris hätten uns gerne umkippen sehen - einfach für den Spaß).

An einer ungekennzeichneten Busstation stiegen wir ein, winkten dem Jungen nachmal Abschied und setzten uns auf die zerfetzten Sitze. In einem langsamen Tempo lenkte der Fahrer uns an Schlaglöchern vorbei in Richtung Hauptstadt, in der Die Busfahrt zu einem eigenen Abenteuer wurde. Denn dort stellte sich das Fahrverhalten der Mongolen als purer Todeswunsch und die Straßen als kaum befahrbar raus. Während wir unserer Endstation näher kamen, fuhr dem Bus jemand hinten und der Bus jemanden an der Seite rein. Als die Insassen des lädierten Autos ausstiegen und lautstark unseren Busfahrer zu beschimpfen anfingen, dachten wir, wir kommen heute nicht mehr an, doch nach nur drei Minuten bewegten wir uns wieder auf den unmöglichen Straßen, in dem ungeheuerlichen Fluss der Irren in ihren Autos. Irgendwann wurde die Straße so schlecht, dass die Autos vor uns, die wir aus dem Busfahrerfenster beobachten konnten, sich wie eine Herde Schweine bewegte, die sich träge von einer Seite auf die andere wälzte.

Endlich in Ulan Bator angekommen, gaben wir beim Nachtwächter des Tourbüros noch unsere Schlafsäcke ab, kauften ein paar Lebensmittel für die Fahrt am nächsten Tag nach Peking ein und kehrten in unser warmes, bequemes Hostel zurück, um unsere letzte Nacht in der Mongolei zu verbringen.

Mittwoch, 5. September 2012

22.08.2012

Von nomadischen Ochsen und Pferdeallergien

Bevor wir den Bus zum Terelj National Park betraten, liehen wir uns extradicke Schlafsäcke aus, denn der Wetterbericht war angsteinflößend. Doch das war wirklich für alle Beteiligten Stress, da die Mädels im Büro des Ökotourismus erstens kein Wechselgeld und zweitens keinen Plan hatten. Die schweigsamen Finnen waren verhältnismäßig aufgekratzt und redeten aufeinander ein, um die Gebühr für die Schlafsäcker perfekt zusammenzubringen. Wir, unter Zeitdruck (wann und wo fährt nochmal der Bus, und ich glaube nicht daran, dass wir es auf Anhieb schaffen, ihn zu finden), drängelten uns vor die höflichen Finnen vor, packten unsere Schlafsäcke und rannten nach Geldautomaten suchend zur Busstation.

Der Bus füllte sich nach und nach und zu guter Letzt erschien auch der Künstler Iwan, der uns gleich informierte, dass wir das Vergnügen haben werden, mit ihm unsere Reise zu verbringen. Ich hatte es den anderen schon gesagt, dass dieser Mensch leichtes Unbehagen in meiner Nabelgegend auslöste, wo bekanntermaßen meine Intuition sitzt und sich nun mit Pauken und Trompeten meldete. Doch noch versuchte ich meine Asympathie gegenüber Iwan dem Künstler für mich zu behalten.

Der volle Bus setzte sich in Bewegung und fuhr die verstopften und völlig irrwitzig befahrenen Straßen Ulan Bators entlang, bis er endlich die Natur erreichte. Eine genervte Frau sammelte das Geld für die zweistündige Fahrt ein, als mein Freund mir seinen Ellbogen zwischen die Rippen stupste. "Schau mal", sagte er und zeigte auf den Opa, der gerade sein Wechselgeld von der Dame erhielt, einen Batzen Scheine (der Wechselkurs ist 1€=1600Tugrik), und ihn ungezählt in seine Hemdtasche schob. "Die vertrauen einem voll, wenn es um Geld geht." Und da fiel mir wieder ein - die Dame im Tourbüro zweifelte keine Sekunde heute Morgen daran, dass wir ihr am Vortag schon 8000Tugrik bezahlt hatten und jetzt die Summe wieder einforderten, ganz ohne Quittung, nur mit einem Ehrenwort und einem seeligen Lächeln. Ganz anders in Russland, wo der Schaffner im Zug 200Rubel bei uns gewechselt, vor unseren Augen die Münzen angezählt und gesagt hatte: "Zähl nochmal nach, Geld liebt Kontrolle!"

Schon bald fuhren wir an kleinen Häuschen vorbei, in deren Garten die weißen Zelte standen, die man Jurten nennt und in denen die mongolischen Nomaden leben. Und je weiter wir rausfuhren in die Weite, desto seltener und einsamer waren die Jurten aufzufinden. Die Natur wechselte von betongequält zu sonnenbestrahlt, vor uns türmten sich Berge auf und das Gras wurde grüner. Nichtsdestotrotz fuhren wir regelmäßig an Touri-Camps vorbei, die in diese Umgebung einfach nicht reinpassen wollten, mit ihren Tennisplätzen, den Tourenjeeps und den Plastikdinosauriern.

Während ich im Bus meinen müden Kopf auf der Schulter meines Freundes ausruhen konnte, hatte Lilly mit ihrem Sitznachbarn weniger Glück und musste die ganze Fahrt einen Franzosen dulden, der unserer Vermutung nach auf Koks war. Erst müllte er sie mit unzusammenhängenden Sätzen zu ("Ich komme aus Frankreich, das ist zwischen Deutschland und Amerika"), später sprang er während eines Busstopps auf und verkündete, dass er jetzt ganz dringend Salz braucht. Lilly wusste sich zu wehren, sie beugte sich vor und schrie in meine Richtung: "Mimi, kannst du mir mal die Broschüre vom Nationalpark geben, ich muss sie genau jetzt ausführlich studieren!" Grinsend händigte ich ihr das Papier aus. Der Franzose ließ sich nicht enttäuschen und setzte sich zur Tochter des Busfahrers nach vorne und versuchte sie zu überreden, sie fotografieren zu dürfen.

Doch die steinigen Abhänge überwiegten und der holprige Weg lullte die meisten Passagiere, unter anderem auch mich, in einen sanften Schlaf ein, und sie verpassten die riesigen Weiten, die grasigen Hügel und die graubraunen Bergspitzen, die das ferne märchenhafte Land genau nach unseren Vorstellungen schmückten.

Bald schon hielt der Bus und unsere Reisebedingungen änderten sich um 1000 Jahre Entwicklungsgeschichte.
Mongolische Jungs, einer sogar traditionell in einer dunkelblauen mit goldenen Fäden verzierter Weste , holten uns - uns drei Reisende, die fünf schweigenden Finnen, eine weltreisende Engländerin und Iwan den Künstler - von der "Busstation" ("Nächster Halt: Mitten im Nirgendwo, neben einem pervers großen Hotel") ab und brachten uns zu den zwei sturen Ochsen, die uns ab jetzt transportieren sollten. Die Ochsen, von Fliegen geplagt und von kleinen mongolischen Jungs gequält, standen zwischen den Bäumen und schauten starr in die Luft. Wir wurden auf die Karren (Ein 2x3 Meter Brett auf zwei Rädern) beladen und los ging die Fahrt.

Schon nach den ersten zehn Minuten hatte mich mein Pech, das ich dachte in Russland gelassen zu haben, eingeholt und ich stürzte vom Wagen in den kalten Fluss. Niemand beachtete mich von den Finnen, während mein Freund und Lilly mir Anweisungen zuschrieen, wie ich am besten wieder auf den fahrenden Karren springen kann. Der Reifen blockierte meine mutigen Springversuche, doch irgendwann, mir kamen Sekunden wie Stunden vor, als meine Schuhe die letzte Widerstandskraft gegen das Nass verloren hatten, saß ich wieder auf dem Karren und blickte verstört meine überfluteten Latschen an. Ich hatte - wie man es immer sehen kann - Glück im Unglück und es war so warm, dass ich barfuß sitzen und laufen konnte.

Nach einer Stunde Ochsenkarrenfahren und Beobachten, wie der Ochse mit Stock, Stein und Fußtritten drangsaliert wird, kamen wir bei unserem ersten Stopp an. Drei einsame Jurten standen in einem kleinen Tal, umringt von Pferden und Kühen. Als wir in die Gästejurte eintraten, versuchte ich gleich die Regeln einzuhalten und im Uhrzeigersinn zum niedrigen (und provisorischen) Sofa zu schreiten, auf dem schon eine schwangere Katze schlief. Schon bald waren alle um den Tisch zusammengekauert - die Sitzgelegenheiten waren höchstens 30 cm hoch und der Tisch vielleicht 40cm. Die mongolische Nomadentochter brachte und Brot und einen Teller mit etwas, was niemand von uns erkannte. Es sah aus wie Pfannkuchen, nur lappriger. Als jemand (ich weiß nicht mehr, wer der mutige Ritter war) sich erbarmte und als erster probierte, stellte es sich raus, dass es eine Mischung aus Butter und Sahne ist, die - so folgerten wir - selbstgemacht war. Da niemand daran glaubte, mehr als das zu essen zu bekommen, stürzten sich alle auf die Butter mit dem Brot, tranken dazu mongolischen Milchtee und lobten das mongolische Essen - so karg es in dem Moment aussah. Bald brachte uns die Tochter aber die Hauptspeise - eine Reissuppe mit Kartoffeln und Fleisch, die wir anfingen, nur noch aus Höflichkeit zu schlürfen. Die Anführerfinnin, Enni, kramte in ihrer Tasche und zog ein Attest raus, der auf mongolisch erklärte, dass sie Vegetarierin ist und niemanden mit ihrer Lebenseinstellung hier beleidigen will - nur will sie etwas fleischloses essen. Die mongolische Tochter nahm das Papier entgegen, las die draufgekritzelten Wörter und machte einen Gesichtsausdruck völligen Unverständnisses, rannte raus und kam dann etwas später mit Joghurt und Zucker rein. Enni stellte sich darauf ein, ein paar wirklich diätetische Tage in der Mongolei zu verbringen.

Bald entbrannte an unserem Tisch Geschwätz und Gerede, das meiste kam aus Iwan des Künstlers Richtung. Die Finnen schwiegen mesit, die Engländerin war mit Schlürfen beschäftigt, mein Freund versuchte unbeholfen seine Körperteile bequem zu positionieren und ich kämpfte um die Gunst der Katze, die sich ständig auf Lillys Schoß zum Schlafen positionierte.

Doch plötzlich horchte ich auf.
"I want to try horse-riding", meinte Iwan der Künstler. "Because I have allergies against horsehair and I want to defeat my allergies"
"How? How do you want to defeat an allergy?", fragte die Engländerin der Konversation wegen.
"Because I think, every allergy is psychological."
Ich holte nochmal schnell Luft, bevor ich Iwan den Künstler mit all meiner Macht auslachte - "That's not a smart thing to say at a table full of doctors", schaffte ich noch zu sagen, bevor die Finnen für finnische Verhältnisse explodierten.

Der Finne neben Iwan dem Künstler lief rot an, vergaß das Atmen und kramte sein Wissen aus Studientagen heraus, erzählte was von Antigenen und Antikörpern, von körperfremden Substanzen und der Überreaktion des Immunsystems, doch Iwan wollte nicht hören. Die anderen Finnen konnten sich nicht entscheiden zwischen Kopfschütteln und ihrem Vorreiter zur Hilfe zu kommen. Eine große Diskussion brach aus, während der ich mich sehr amüsierte und Iwan der Künstler noch die legendäre Aussage brachte, sogar Krebs sei etwas Psychosomatisches.
Nach diesem Satz schwoll der Finne neben ihm an, seine Röte ging in die Farbe lila über, während seinen Kollegen die Luft wegblieb.

Diesen Zustand vollkommener Verwirrung beendete die mongolische Tochter, die Lilly, meinen Freund, Iwan den Künstler und mich rief, auf einen Ochsenkarren setzte und zur nächsten nomadischen Familie schickte. Die zwei Jungs, die uns begleiteten, ließen keine Gelegenheit aus, den Ochsen zu quälen, ihm Stöcke auf dem Rücken zerbersten, seinen Schwanz umdrehen und ihm Äste in den Hintern stecken zu lassen. Doch der Ochse, von Grund auf ein stures Wesen mit dickem Fell, ließ sie gewähren, trottete vor sich hin und stellte sich doch mal hin und bewegte sich keinen Zentimeter, bis die Jungs ihm nicht die Riemen bequemer positionierten. Iwan der Künstler stieg schon bald vom Karren und lief in seinem Tempo mal vor, mal hinter uns, was mir nichts ausmachte. Ich vermute, dass seine zarte Seele die Misshandlungen des Ochsen nicht standhielt, denn er sagte mehrmals, dass wir doch bitte die Kuh ehren sollten, denn sie leistet uns einen Dienst und soll nicht so gequält werden. Mir tat zwar das Tier auch leid, aber meine Entgegnung war bloß: "Das ist ein Ochse und er ist männlich." Im Stillen fügte ich dann noch verächtlich "Du Stadtkind" hinzu und versuchte die kleine Stimme zu ignorieren, die mir in den Nacken flüsterte: "Und wo lebst du bitteschön?"

Nach drei Stunden auf dem Ochsenkarren, kamen wir an den drei Jurten und einem Jeep am Rande eines Berges und eines Flusses an, in denen die zweite Nomadenfamilie lebte. Diese bestand aus fünf Kindern, einem Neugeborenen, einer Großmutter und sechs Erwachsenen, die uns gleich mit traditioneller Kleidung und Pfeil und Bogen ausstattete. Mein Freund nahm es sich zur Aufgabe, so lange Pfeile in die Luft zu schicken, bis er die kleinen aufgestellten Körbe 5 Meter weiter treffen konnte. Doch bei jedem danebengegangenen Schuss beschuldigte er den Wind, die Entfernung, die Pfeilart und überhaupt das Schicksal, die alle zusammen gegen seine Schussfähigkeiten arbeiteten.

Ich, gelangweilt vom Schießen, lernte die Kinder kennen, unter denen ein achtjähriges Mädchen ein bisschen deutsch und englisch konnte und mir gleich vorschlug, ein Spiel mitzuspielen. Die vier anderen Kinder, der vierjährige überaktive Merger, die winzige Isu, die schüchterne Mischel und die überaus hübsche Sonu freuten sich, jemand großes bei ihren Spielen dabei zu haben.
Wir spielten ein einfaches Spiel, eine Art von Fangen, und ich lief barfuß zwischen den getrockneten und frischen Kuhfladen und den kalten Grashalmen vor kleinen und mittelgroßen "Wölfen" weg und verwandelte mich selbst in einen großen fiesen Wolf, der sehr gerne kleine Kinder zum Abendessen aß. Dieses Spiel dauerte so lange, bis ich meine Füße vor Kälte nicht mehr spürte, dann wurden die Kinder geworfen, gedreht und für eine Weltraumfahrt trainiert. Sie quietschten vor Freunde und ließen sich durch die Luft wirbeln, an den Armen im Kreis, an den Füßen kopfüber, ganz hoch in der Luft. Dann verwandelte ich mich zum Pferd und ritt mit ihnen durch die Prärie, nicht ohne ein paar Mal aufzubocken, was sie unglaublich freute. Mein Freund und Lilly, vom Kindergeschrei und meinem Gewieher angelockt, gesellten sich dazu und nun konnten alle Kinder reiten, fliegen und vor Vergnügen quietschen. Iwan der Künstler kam dazu und sah sich das Spektakel vom Weiten an, griff sich das kleine Mädchen Isu raus und fotografierte sie für seine Sammlung.

Als ich kraftlos zusammenbrach und mich auf einen Hocker neben die Jurte setzte, scharten sich die Kinder um mich herum und fingen an, meinen Rücken zu massieren, zu klopfen und zu streicheln - das arme Pferd.

Die Sonne ging am Horizont einsam unter und warf ein mildes orangenes Licht auf die gräserne Steppe, die im Licht glitzerte und ein Gefühl von tiefer Zufriedenheit hinterließ. Das Licht wich dem Abendhimmel, deren Sterne zahlreich und zum Greifen nah waren. Der Wind war kalt und auch in der Jacke frierte ich, doch der Ausblick und die Sternschnuppen, die für die jetzigen Tage vorhergesagt wurden, behielten mich draußen, mit dem Kopf im Nacken, bis er schmerzte.
Dass Iwan er Künstler sich zu uns gesellte und über seine unglückliche Liebe, für die er jetzt einen Blog über die Transsib und die Liebe schreibt, erzählte und die anbahnenden Wolken, die den Sternenhimmel verhängten, störten meine innere Zufriedenheit nicht.

Ich umarmte mich selbst feste, um gegen die Kälte anzukommen, doch mit meinem Freund an der Seite, den Sternen über mir und der Stille, die nur durch Kühe und Grillen gestört wurde, breitete sich eine ganz andere Art der Wärme in meinem Körper aus.

21.08.2012

Ulan Bator, Ulaan Bataar und Ulachn Bchatchr

Um 6 Uhr früh, bei einer gefühlten Temperatur von 5°C und der Angst, auf dem im Reiseführer als unsicher beschriebenen Hauptbahnhof bis auf die Unterhose ausgeraubt zu werden, kamen wir in der Hauptstadt Mongoliens an. Für alle, die es noch nicht wissen: von den schrecklichen Mongolen, die mal fast den halben Erdball beherrscht hatten, sind jetzt nur noch 4 Millionen übrig und davon lebt eine in der Hauptstadt, Ulan Bator - oder wie zum Teufel man es auch immer schreibt und ausspricht. Wir Deutschen schreiben jeden Buchstaben nur einmal, während die Mongolen jeden Vokal verdoppeln, dafür aber vollkommen unverständlich aussprechen.

Gleich am Gleis wurden wir von unserer Hostelmutter empfangen, eine kleine Mongolin, die in wunderbaren Englisch erklärte, dass man ihr Hostel, was nicht ausgeschildert ist, niemals alleine findet und ihr Mann setzte uns ins Auto. Wir fuhren links rechts links und waren schon da. Der riesige Plattenbau, auf dem die Eingangsnummern schon von der Zeit und dem Wetter unleserlich gemacht worden waren, starrte finster auf uns herunter und senkte unsere Erwartungen. Doch im fünften Stock offenbarte uns die kleine Wohnung Komfort und lud mit den wunderbar breiten Bette auf ein Nickerchen ein, das wir nicht abhalten konnten, da der Termin bei einer Ökötourismus-Organisation nach uns rief. Und so legten wir nur unsere Sachen ab, gingen nochmal schnell aufs Klo, dessen Stoffklobrille (!) lose war und unter den Po geschoben werde musste, verrichtete man im Sitzen, und spurteten aus der Wohnung, deren 3 der 4 Zimmer das Ehepärchen an Reisende im Sommer vermietete.

Draußen merkten wir, dass Mongolen anscheinend Spätaufsteher sind, da kein einziger Supermarkt um diese Zeit offen war und sonst auch kaum Menschen zu sehen waren, was man ja eigentlich von einer Hauptstadt erwartet... Doch der hungrige Magen trieb uns weiter und endlich fanden wir eine Nudelsuppenfastfoodkette, wo wir uns die lapprigen Teigfäden mit ein bisschen Phantasie und mongolischem Milchtee schmecken ließen.

Endlich das Tourbüro gefunden, besetzten wir in dem kleinen Zimmerchen von 5 qm die besten Plätze und warteten ungeduldig auf unsere Einführung.
Folgendes nämlich haben wir uns noch vor der Einreise in die Mongolei gebucht: Zwei Tage und eine Nacht würden wir von nomadischen Familien zu nomadischen Familien ziehen, schauen wie sie leben, reiten, Ochsenkarrenfahren und typisch essen, während wir das Leben auf dem Land kennenlernten. Doch uns schwarnte Böses, während wir die Organisatoren der Reise beobachteten. "Die haben es ja überhaupt nicht drauf", flüsterte mein Freund mir zu, während die überforderte Mongolin die gerade dazugekommenen fünf Finnen wortlos anstarrte.

Die fünf Finnen, alles Mediziner, ein Jahr nach ihrem Staatsexamen, glänzten mit ihrer klischeehaften Gesprächslosigkeit und waren ganz froh, dass die extrovertierte Enni die Zügel in ihrer Gruppe und gleichzeitig das Reden übernahm. Zu fünft machten sie, wie wir, die transsibirische Reise, bevor sie wieder mit ihren Jobs oder der Arbeitslosigkeit in den großen Städten Finnlands konfrontiert werden.

An dieser Stelle mag ich einen Witz erzählen, der demonstrieren könnte, wie gesprächig Finnen sind (nicht vergessen: ich bin Viertelfinnin, ich darf mich lustigmachen!):
Kommt ein Finne in eine volle Bar, sagt "Hallo, ich hätte bitte ein Bier" und setzt sich hin. Nachdem er sein Bier ausgetrunken hat, steht er auf und geht. Als er aus der Tür ist, meint ein anderer Finne zu seinem Freund: "Labertasche!"

Um uns auf unseren Besuch vorzubereiten, erhielten wir eine Einführung in die mongolische Sprache und die mongolischen Bräuche. Die Bräuche waren nützlich - zum Beispiel lernten wir, dass es ein schlechtes Omen ist, in einer Jurte zu pfeifen. Weiter darf man nicht auf die Schwelle treten, nur im Uhrzeigersinn in der Jurte gehen, nicht mit den Füßen zum Altar sitzen, aber vor allem nicht pfeifen! Und wann man Schnupftabak angeboten bekommt, muss man ihn mit halbverschränkten Armen annehmen. Das alles versuchten wir uns schnell in unsere Köpfe einzutrichtern, damit wir auf keinen Fall am nächsten Tag unseren nomadischen Gastgebern auf die Füße steigen, doch so viele Regeln ließen unsere Ohren klinglen. Und als es dann zur Spracherziehung kam, verließ mich persönlich komplett meine Konzentration und ging zur nächsten Strandbar Mochito schlürfen. War auch nicht schlimm, weil es sowieso nichts gebracht hat. Entweder war unsere Lehrerin viel zu milde eingestellt und sah es nicht ein, uns Ausländer in unserer Aussprache zu korrigieren, oder sie sah den Sinn eh nicht, da die europäischen Zungen nicht vorbereitet waren auf die extraordinären Sprachweisen der Mongolen. Denn die Mongolen können wahre Wunder mit ihrem Mund - sie sondern während dem Reden Zisch-, Blubber- und Schlürflaute ab, ohne dass sie spucken, und machen es jedem schwer, es nachzumachen.
Beispiel: "Danke" wird im Mongolischen "Bayarlalaa" geschrieben und während die Lautschrift behauptet, es muss als "Bayarla" ausgesprochen werden, lässt die Wirklichkeit folgendes hören: "Baychchchrchchchlaaa" (dabei werden die "ch" Laute an den Seiten der Zunge produziert und hören sich sehr feucht an). Und wer das jetzt ohne Spucken aussprechen kann, kriegt von mir einen guten Kopfer auf die Schulter.

Während der wir unseren Vormittag in dem Tourbüro verbrachten, lernten wir am Rande schon Iwan kennen, einen russisch-italienischen Künstler, der sich mit seiner wehenden Mähne und seiner schlaksigen Gestikulation lautstark über den bösen Menschen aufregte, der seine Kamera geklaut hatte. Er war wirklich aufgebracht, später fanden wir raus, dass er auch Fotograf ist. Die Trauer jedoch verflog bald, denn er kaufte sich am gleichen Tag die Kamera nochmal. Am nächsten Tag sollten wir dann rausfinden, dass er mit uns zusammen in das Abenteuer zog.

Fertig mit unserer Einführung und nochmal vergewissert, wann und wo wir am nächsten Tag sein sollen, um vom Bus zum Nationalpark Terelj bringen zu lassen, gönnten wir uns ein Taxi nach Hause, wo wir uns unserem wohlverdienten Nickerchen hingaben.
Doch genau in diesem Moment bahnte sich in den Gedärmen meines Freundes das große Unwetter des 3-Sekunden-Eises an, das er am Vortag vom Boden Mütterchen Russlands gefuttert hatte. Von Bauchschmerzen geplagt musste mein Freund der Ulan Bator Stadttour absagen, die wir mit Lilly dann allein machen durften.

Von der vollkommenen Weiblichkeit unserer Gruppe beflügelt, wanderten wir in die Stadt heraus und besuchten die zwei einzigen Sehenswürdigkeiten, die Ulan Bator zu bieten hat: Den Lamatempel, der genausoviele Gebetsmühlen wie Tauben beherbergte, nämlich unendlich im Quadrat, mit der 16 Meter Lamastatue, und den Platz der Regierung, an dem der Patriotismus stark und die Geschäfte teuer waren.
Der Lamatempel barg für mich ein Gefühl der Vollkommenheit, obgleich die Straßen verbeult waren, die Tauben ein Gefühl des Ekels auslösten und die Gebetsmühlen mich nur zur Unaufmerksamkeit gegenüber tiefhängenden Dächern und der größten Beule am Kopf in dem Urlaub brachten.

Am Abend gönnten Lilly und ich uns ein Hotpot Essen, wo man frische Lebenmittel direkt in einem vor dir stehenden Topf ankochen und dann das Fleisch, das Tofu, die Pilze und das Gemüse verspeisen konnte, während mein Freund noch mit den Nachwehen des Eises daheim im Bett lag und mongolischen Zwieback kaute.

Freitag, 31. August 2012

20.08.2012

Tschuess Baikal - Hallo 2. Klasse

Um 4 Uhr in der Frueh, als sich meine Freunde noch den Schlaf aus den Augen rieben, stand ich stramm im Gemeinschaftszimmer und machte Morgengymnastik, damit mein Koerper gar nicht erst auf die Idee kommt, uebernaechtigt zu sein. Aufgekratzt und mit dunklen Augenringen unter den Augen machten wir uns auf den Weg ueber die verlassenen Strassen Irkutsks zum Bahnhof, wo wir mit gefuehlten 200.000 deutschen Rentnern in den aufpolierten Waggon unseres Schnellzuges nach Ulan Baator stiegen.

Wir haben mit allem gerechnet, wirklich allem, in der dritten Klasse der letzten beiden Fahrten haben wir die Toiletten ertragen, die Hitze durchlebt, sind den Stinkefuessen ausgewichen und die Bettwanzen gejagt. Aber was uns nun in der zweiten Klasse erwartete, raubte uns die Luft.
"Ich komm nicht klar", maulte mein Freund, als er den Luxus unseres Abteils betrachtete. Wir waren zu dritt allein in unserem Viererabteil, das mit Klimaanlage, Nachlaempchen fuer jeden und wunderschoen breiten Betten ausgestattet war. Eine kleine Tischdecke zierte unser Tischchen, auf dem wir uns gleich ausbreiteten. Ein Fernseher schaute von oben auf uns runter, doch wir fanden leider keinen Anschaltknopf und redeten uns ein, dass es nun wirklich nicht in eine solche Reise passt, Fernsehen zu schauen. Fuer die Obenschlafenden konnte eine Leiter ausgeklappt werden, damit sie ohne schlimme Verrenkungen wie in der dritten Klasse auf ihr Bett klettern konnten.
An den Waenden waren sogar kleine Regalchen aufgehaengt fuer laengere Reisen. Man konnte sogar Handtuecher darin aufhaengen, damit sie gut trockneten. Und die Bettbezuege liessen gleich bessere Qualitaet erkennen und die Handtuecher hatten sogar ein Muster eingenaeht.

Doch wir mussten uns schnell an den Luxus gewoehnen, da unsere Muedigkeit uns in die Betten zog.

Zwei Stunden nach Abfahrt, also um 7 Uhr morgens klingelte auch schon unser Wecker und wir genossen den erstaunlichen Sonnenaufgang ueber dem Baikalsee, an deren Ufer wir langsam vorbeifuhren. Ich persoenich war zu muede von meinem naechtlichen Bloggen, dass ich den Sonnenaufgang geniessen konnte, doch mein Freund nutzte die Qualitaet von Lilly's Kamera und machte Sonnenaufgangsfotos.

Die meiste Zeit im Zug nutzten wir heute zum Schlafen. Leider kommt man in einer zweiten Klasse, deren Waggon auch noch mit deutschen Rentnern gefuellt ist, nicht dazu, sich einfach zu jemandem zu setzen und ein Gespraech anzufangen. Also bleibt man in seinem kleinen sterilen Abteil sitzen und wartet gespannt auf den Grenzuebergang.

Der kam noch vor Sonnenuntergang: ein kleines Dorf namens Nauschki, in dem sich nicht viel mehr als Alkoholismus und Vandalismus abspielt, wenn man nach dem Park im Zentrum urteilt. Dafuer aber gibt es dort Panzer und Soldaten, die diese bewachen. Und als Lilly und mein Freund (ich traute mich nicht) Fotos davor machten, schlenderte einer der Soldaten in unsere Richtung, sodass wir die Flucht ergriffen.

Im doerflichen "Produkti" kauften wir uns ein Eis und ein paar Lebensmittel, die uns durch den Abend bringen sollten. Leider gab es kein frisches Gemuese, sodass unser Abendessen spaeter doch recht trocken blieb.

Mit dem Eis in der Hand und dem Laecheln im Gesicht marschierten wir ueber die Strassen, bis meinem Freund sein Eis auf den Boden fiel. Doch er ist kein Mann von grosser Traurigkeit, er nahm es schnell vom Boden schrie "Drei-Sekunden-Regel" und biss wieder ab.
Kurzer Ausflug in das Mythos der "Drei-Sekunden-Regel": diejenigen, die diese Religion mit Leib und Seele leben, sind der Ueberzeugung, dass Schmutz und Bakterin erst nach drei Sekunden warten und dann erst auf das Lebensmittel stuerzen, was sich ihnen auf dem Boden bietet. Vollkommener Mumpitz, sage ich. Mein Freund, Medizinstudent, denkt anders. Und der Sand, der zwischen seinen Zaehnen knirschte, brachte ihn auch nicht auf das Ueberdenken seiner Lebenspsychologie.

Vor der Passkontrolle heorten wir die Reiseleiterin der deutschen Rentner keifen: "Wenn der Beamte kommt, muesst ihr aufrecht sitzen, die Haende an sichtbarem Platz und Pass in der Hand!"
Die Passkontrolle lief dann folgendermassen ab: "Passssport, pliiiisssss" - fertig.
Dann gab es noch die Personenkontrolle, wo wir aus dem Abteil rausgetrieben wurden, um unter die Betten zu schauen - fertig.

Ueber die mongolische Grenze rueber, merkten wir, dass die Mongolen besser Englisch redeten, korrekter angezogen und fruendlicher gestimmt waren.

Nach dem Getummel um die Paesse und die nicht vorhandenen versteckten-geschmuggelten Personen unter unseren Betten, durften wir endlich ins Bett gehen, um 6 Uhr in der Frueh am naechsten Morgen kamen wir ja endlich in der Mongolei an.

19.08.2012

Boljshye Koty - Irkutsk

Schon beim Fruehstueck fiel uns das gute Wetter auf - gestern noch Regenfaelle, heute schon Sonnenschein. Und waehrend wir die Ueberreste unserer Gretchka (Buchweizenbrei) mampften, sahen wir aus dem Fenster heraus die vielen Menschen auf dem Berg neben dem Dorf. In der Wette, wie lange man denn dort rauf brauche, verlor ich, als unser Hausherr bestaetigte, dass man schneller als in einer halben Stunde da raufkommt. Da unsere Faehre nach Listvyanka, dem ersten Zwischenstopp auf unserer heutigen Reise, erst in einer Stunde ablegte, packten wir schnell unsere Sachen und stapften - ich humpelte noch von meinem Knoecheltrauma - den Berg hinauf.

Oben angekommen bot uns ein schoener Ausblick auf das 50 Seelen Dorf, das sich auf das kleine Tal am Seeufer erstreckte und zu dem keine Strassen fuehrten, bloss die ueberteuerte Faehre ist der einzige Weg raus. Wieder unten verabschiedeten wir uns von den Dorfhunden, Dorfpferden, Dorfkuehen und vor allem vom Baikalsee, indem wir noch einen kraeftigen Schluck aus ihm nahmen und das kalte Nass spuerbar in den Magen lief.

An der Faehre hatten wir mal wieder einen wunderbaren Eindruck vom nicht vorhandenen Service-Sektor Russlands:
"Erst die Leute mit Tickets einsteigen bitte!"
"Ich habe aber noch kein Ticket."
"Was habe ich gesagt? Erst die Leute mit Tickets, also weg da!"
Dafuer war die Fahrt nett, bei der wir aus dem Fenster den Grossen Baikal Pfad betrachten konnten, der hoch und runter, ueber Stein, Fels und Wiese lief. Leider mussten wir meinetwegen die heutige Wanderung durch den Wasserweg ersetzen, da mein Knoechel immernoch schrie und weinte.

In Listvyanka, wo die Hotels gross und die Touristen vielzaehlig sind, landeten wir auf einem Markt, wo wir nicht umhin konnten, als uns echten kaukasischen Schaschlik und echten usbekischen Plow von einem echten Georgier servieren zu lassen. Doch insgeheim vermerkte ich, dass meine Mutter Plow besser macht und der Schaschlik bei meinem Onkel auf dem Dorf besser schmeckt.

Ganz allgemein kann man zu russischer Kueche Folgendes erzaehlen (und ich entschuldige mich, falls ich irgendwelche falschen Feststellungen mache): Die normale, taegliche Hausmannskost ist wirklich einfach: keine uebertriebenen Kombinationen aus allen Lebensmitteln (Gurke, Tomate, Kartoffel - das reicht doch!), keine Sossen (Ketchup, Butter oder Schmand - mehr braucht man doch nicht, oder?), keine uebertriebenen Gewuerze und Kraeuter (Pfeffer, Dill und Petersilie - das ganza Jahr ueber), dafuer aber umso mehr Fleisch!!
Vegetarier - bringt euer eigenes Essen mit.

Am Ufer versuchten wir den Massen an Touristen zu entfliehen, doch die Russen, Australier, Chinesen und Koreaner fotografierten jeden Zentimeter des Baikalsees.
Gerade wegen dieses Ueberangebots an Touris machte diese Stadt, obwohl sie sonst so von den Reisefuehrern angepriesen wurde, auf uns keinen sympathischen Eindruck und wir waren froh, als wir die Marschrutka (Linientaxi) zurueck nach Irkutsk nahmen.

In Irkutsk angekommen, schoben wir uns hungrig durch die Gassen des Riesenmarkts, auf der Suche nach Zutaten fuer das Geburtstagsfestessen meines Freundes. Bei den eingelegten Sachen pluenderten wir den Stand regelrecht und die Verkaeuferin schenkte uns noch ein paar Salate und Schweineohren dazu. Dazu gab es noch Fischquiche, Walnuss-Apfel-Torte, und wirklich guten Kaviar mit Weissbrot.

In unserem Hostel in Irkutsk endlich angekommen, deckten wir den Festtisch und feierten den Geburtstag meines Freundes. Leider konnte die Feierei nicht lang gehen, da am naechsten Morgen um 5 Uhr morgens schon unser Zug in die Mongolei abfuhr. Und waehrend sich die anderen fuer ein paar Stunden aufs Ohr legten, nutzte ich meine letzte Chance fuer eine lange Zeit, den Gemeinschaftscomputer fuers Bloggen bis zum Aufbruch um 4 Uhr Uhr morgens zu besetzen.

Mittwoch, 29. August 2012

18.08.2012

Pilze und Banja

Nach einer kurzen Diskussion am Vorabend, ob wir einen Wecker stellen oder nicht (mein Morgenmuffel hat ein Kompromiss vereinbart, dass wir ihn ganz ganz spaet stellen), wachten wir vollkommen erholt in unserer schoenen kleinen Huette des Hostels auf. Das Plumsklo mieden wir nach Moeglichkeit, da es von allen Plumsklos bis jetzt am meisten stinkt. Ausserdem war auch die Haendewaschanlage recht rustikal angelegt, ein Eimer Wasser mit einem Stoepsel unten. Seife lag aber nur in der Kueche bereit, die wirklich nur rudimentaer gegen die Aussenwelt abgeschirmt ist. Durch die Waende sieht man den Aussengarten, hoert man das Plumsklo und spuert den kalten Wind, der vom Baikal kommt. Fuer unseren heutigen Tag, der durch einen kuehlen Regen gekennzeichnet ist, haben wir eine Pilzesammelaktion geplant, die uns in die tiefen Waelder Sibiriens zog. Vom Pilzesammeln fast keine Ahnung, keine angemessene Kleidung und Besohlung fuer einen Regentag, machten wir uns auf und suchten nach Roehrlingen, von denen wenigstens zwei Drittel unserer Reisegruppe sich sicher war, dass man von ihnen nicht stirbt oder Durchfall bekommt (bei einer Reise wie unserer ist Durchfall wohl eher schlimmer).

Mit einer Plastiktuete voll Pilzen kamen wir wieder daheim an und fingen an, die schleimigen schwammigen Pilze zu bearbeiten, zu schneiden und zu kochen. Das russische Paerchen, das wir in der Kueche kennenlernten, beaeugte unsere Beute leicht gierig, doch irgendwie gelang es uns, sie abzuschuetteln und alleine zu kochen.
Er, neunmalkluger Naturschuetzer ("Ihr wisst anscheinend ueberhaupt nicht, wie man mit Pilzen umgeht!", "Iiih, das ist doch kein guter Pilz... Ach doch, ist ein Guter") und sie, eine sehr sympathische Dame, die staendig ein froehliches Lachen im Gesicht traegt, sind ein junges Paerchen, das am Wochenende ein bisschen in den Waeldern Sibiriens umherwandert. Doch sie waren uns nicht sympathisch genug, unser Essen mit ihnen zu teilen...

Unser Abendmahl bestand aus in Butter angebratenen Pilzchen, deren Ausgangsvolumen um zirka 90% schrumpfte, Kartoffelbrei und geraeuchtertem Fisch, den wir im lokalen "Produkti" kauften.

Nach dem Abendessen waren wir von unseren Tagesaktionen ausgelaugt, dass wir uns schon fast zum Schlafen ins Bett kuschelten, als das russische Paerchen bei uns anklopfte, und vorschlug, in die russische Banja zu gehen. Wir bejahten sofort, denn in der russischen Banja waren meine beiden deutschen Gefaehrten noch nicht und ich war bestrebt, ihnen einen gesamten Eindruck von Russland zu geben. Doch kurz mussten wir alle zoegern, da wir nicht wussten, in welcher Bekleidung eine Banja besucht werden sollte.
Doch der Hausherr, ein Mann um die 40, der im Sommer das Hostel bewirtschaftet und im Winter um die Welt reist, beantwortete diese Frage mit einer Gegenfrage: "Stimmt es, dass man in Deutschland nackt in die Sauna geht?", fragte er uns schuettelte unglaeubig seinen Kopf.

In der Banja, die durch einen Holzofen geheizt wird und einen milden Geruch von Birke verstroemt, sassen wir zwei Stunden, redeten ueber das Leben, unsere Reise und die unmoeglichen Temperaturen in Saunas. Spaeter gab ich ihnen noch eine Kostprobe der Birkenbueschel, die man sich in der Banja auf den Koerper peitscht, um die Hautdurchblutung anzuregen. Die Birkenblaetter wirbelten durch die Luft und trockneten schnell in der Hitze der Banja.

Nach unserem Ausflug in die russische Art, sich rein zu waschen, warteten wir noch eine Stunde im Bett, bis uns der Wecker darauf aufmerksam machte, dass mein Freund nach russischer Zeit Geburtstag hat. Mit der Zeitverschiebung nach Deutschland hat er dieses Jahr ganze sieben Stunden laenger Geburtstag, als sonst. Und als in unserer kleinen Huette mit den extrem niedrigen Decken die Lieder "Happy birthday" und "Wie schoen, dass du geboren bist" erklangen, fuehlten wir uns auch im tiefsten Sibirien am Baikalsee, auf steifen Betten und Futonmatratzen, mit Plumsklo und loechriger Kuechenwand, vollkommen daheim.

Sonntag, 26. August 2012

17.08.2012 Teil 2

Der Abgrund und die Sexparty

Nachdem wir auch einen Trinkspruch auf die russische Gastfreundschaft zum Besten gaben (der aber nun wirklich nicht an die Poesie und Kreativitaet eines richtigen russischen Trinkspruchs herankam), draengte die Zeit und waehrend mein Freund seine Blasen an den Fuessen verband und Lilly noch ein letztes Mal aufs Aussenklo mit der Klospuelung (!!) ging, wusch ich ab ("Hey Alexandr, schau mal, das Maedchen ist eins von unseren! Sie ist russisch erzogen!") und raemte noch ein bisschen auf.

Die Blasen meines Freundes wurden von Iwan noch begutachtet, mit H2O2 bearbeitet und mit bestimmtem Gras verbunden. Dann winkten wir uns Adieu (Vsego Dobrogo!) und wir stapften in Richtung Sonne.

Schon nach dem ersten Berg packte uns die Sehnsucht nach dem Baikalwasser und bei der ersten Gelegenheit stuerzten wir uns an einen abgelegenen Strand im Windschatten, zogen uns aus und wateten langsam ins eisige Wasser. Waehrend Lilly und mein Freund die "Kurz und schmerzlos"-Variante aussuchten und nach einem schnellen Tunken schon wieder draussen waren, bewegte ich meinen Koerper Zentimeter fuer Zentimeter in das Wasser. Noch bevor das Wasser meinen Bauchnabel benetzen konnten, standen die beiden schon wieder am Strand und rubbelten sich warm. Doch als ich komplett im Wasser verschwand und meine Haut sich schon von Gaensehaut zu Elefantenhaut versteifte, fand ich Gefallen am Wasser, dass ich beim Schwimmen auch noch bedenkenlos trinken konnte. Ich schwamm hinaus und blickte in den wolkenlosen Himmel, waehrend meine Beine im glasklaren Wasser mich antrieben. Die Luft blieb mir vor Kaelte weg, aber das Lebensgefuehl im Baikal gibt einem mehr.

Nach diesem Hoehepunkt liefen wir weiter, mit unseren Rucksaecken, die langsam an Gewicht verloren. Wasser brauchten wir kaum mitzuschleppen, da wir immer aus dem See trinken konnten und das Essen, das wir uns fuer die Reise vor zwei Tagen kauften, ging langsam zur Neige. Doch der frische Fisch staerkte uns fuer den wunderschoensten Teil unserer Wanderung. Die steilen Abhaenge unter uns raubten uns die Luft, die felsigen Klippen machten den Weg schmaler und das gute Wetter den Ausblick schoener. Die Wanderung kann man wirklich nicht beschreiben, nur Bilder kommen nah genug ran, das Lebensgefuehl auf so einer Klippe zu beschreiben. Wenn keine Menschenseele zu sehen ist, das Wasser unter dir klar und blau ist und der Abgrund an deinen Fuessen deinen Koerper leichter macht, dann bist du am Baikalsee. Und wenn das Wetter mitspielt, dann kannst du alle Problemchen und Ungerechtigkeiten komplett vergessen.

Irgendwann, an einer besoders steilen Klippe, an der wir uns festhalten mussten, merkten wir, dass hinter dem naechsten Baum kein Weg mehr ist und wir kehrten um. Mein Freund kletterte sogar zwischen zwei kleine Klippen, um zu sehen, ob da der Weg weitergeht. Doch der Umweg, den wir erst nach einer halben Stunde in die Rueckrichtung erreichten, fuehrte uns um die Klippe durch einen Wanld herum, in dem uns an vielen Stellen sogar noch schoenere Ausblicke boten.

Eine Lebenserfahrung habe ich heute beid dieser Wanderung gemacht: ich werde mir, sobald meine Fuesse wieder deutsche Erde unter den Fuessen haben, passende Wanderschuhe kaufen, solche, die meinem Grosszehengrundgelenk nicht schaden! Mein Hinken wurde mit der Zeit immer schlimmer und trieb mich an, schneller zu gehen, damit ich schneller ankomme und nciht mehr laufen muss. Doch schon eine unebene Flaeche und der andere Fuss ist verknackst, und ich weiss nicht mehr, mit welchem Fuss ich eigentlich mehr hinken sollte... Wie ich die letzten Kilometer geschafft und auch noch smalltalks mit russischen Wanderern abhalten konnte, weiss ich nicht mehr, doch bald kamen wir in dem kleinen Doerflein "Boljshie Koty" an, wo wir uns erstmal verliefen. Im Reisefuehrer war eine verwirrende Wegbeschreibung zu lesen, die Frau, die wir fragten, erklaerte uns noch verwirrender, wohin wir laufen muessten, und wir landeten erstmal in einem Haus, das anscheinend eine Sexparty beherbergte. Wir wurden froehlich reingebeten, Maedchen mit Miniroecken und ohne Unterhosen laechelten uns an, als ich in der Tuer stand und moeglichst hoeflich erklaeren wollte, dass wir hier unbedingt weg wollten. Und waehrend mich eine betrunkene und umhaengte Frau zuschwallte, wo man denn hier schlafen kann und wie viele Auslaender schon heute an ihr "geklebt" hatten, warfen sich mein Freund und Lilly schon Blicke zu und trieben mich an, nicht zu hoeflich zu sein.
Irgendwann fluechtete ich, wir fragten die naechste Omi und wir landeten in einem Hotel, in dem in der Kueche betrunkene Frauen sassen und mit ihrem Wodka in der Hand Lieder von traurigen Liebenden sangen. Das stellte sich auch nicht als unser Hostel raus, obwohl uns der Hostelvater schon einquartieren wollte.

Aber nach einer Stunde Herumirren und dem Sonnenuntergang erreichten wir endlich unser Schlaflager und kochten uns einen wirklich trockenen Buchweizenbrei.

Unser Zimmer entpuppte sich als ein wahrer Segen, da es eine Heizung gab und der kalte Wind vom Baikal durch keine Ritzen blasen konnte. Die Zimmer waren nett eingerichtet mit asiatischen Lampenschirmen und kleinen plazierten Gegenstaenden, die an ein baeuerliches Leben erinnerten. Leider war die Decke so niedrig, dass sich jeder mindestens ein Mal stiess - ich hatte sogar das Glueck, meine werte Birne oefter anzuhauen, dass mir das Buersten meiner Haare immernoch schmerzt.

17.08.2012

Der Fischer und die Seele des Baikals

Der Tag fing fuer mich, obwohl uns die Sonne gnaedig schien, grau an. Die Nacht, eine der kaeltesten, die wir erlebt hatten, wurde durch ein schrilles Klingeln des Weckers beendet, dessen Aufenthaltsort unbekannt war. Da mein Freund den Wecker gestellt und versteckt hatte, war es meiner Meinung nach seine Aufgabe, ihn ruhigzustellen, aber nach schon ein paar Minuten war klar, dass die Oropax meines Freundes ziemlich potent sind. Nach laengerem Suchen des Weckers war mir klar, dass ich nun schlechte Laune habe und ich fing an, meinen Freund im Bett am anderen Ende des Zimmers mit Sachen zu beschmeissen, die in Reichweite waren. Mein Medizintaeschchen und andere Gegestaende schienen ihm nichts auszumachen, doch als ich schon meinen Schuh nach ihm werfen wollte, machte er endlich die Augen auf, blickte leicht verstoert die Sachen neben ihm an und befreite seine Ohren. Das Aufstehen fiel mir heute nicht leicht und auch die Musik, die mein Freund direkt neben meinem Ohr laufen liess, machte es mir nicht leichter. Am Ende musste ich doch aufstehen und in die Sonne, die immernoch froehlich schien und mich auslachte.

Die Sonnenstrahlen waermten uns so sehr, dass wir entschieden, draussen zu fruehstuecken und nicht in der Gemeinschaftskueche, doch der kalte Wind vom Baikal blies auch durch unsere Pullis durch. Mal legte sich ein Pferd neben unsere Fruehstuecksecke, mal versuchte eine Kuh, an ein paar Leckerlis ranzukommen. Aber wir hatten selbst nicht mehr so viel, deswegen jagten wir jeden Konkurrenten davon.

Nach dem Fruehstueck stand eine Hoehlenbesichtigung auf dem Plan, doch der wurde fuer mich mit Fischen ausgewechselt. Schon gestern hatten mich ein paar Fischer aus einem der 5 Haeuser des Dorfes (falls man das nennen kann) angesprochen, ich soll sie doch mal besuchen. Ich, Paranoiakind, laechelte, bejahte und lief so schnell wie nur moeglich weg. Doch heute sahen sie im Sonnenlicht sehr nett aus und ich bekreuzigte mich innerlich, als ich dem Angebot, mit fischen zu gehen, zusagte.
Schnell eine Weste geholt und ins Boot gesprungen, und schon peitschte mir der kalte Wind ins Gesicht. Die Sonne zwinkerte mir zu und der Baikalsee begruesste mich mit seinen Wellen, die gegen das Motorboot klatschten. Die Berge auf der anderen Seite des Sees erinnerten mich immer wieder, dass ich nicht am Meer bin und die salzige Luft fehlte auch. Doch alles andere, der Wind, die Wellen, die Fischer - ich konnte nicht anders, es war fuer mich ein Meer.
Als wir an einer einsam schwimmenden Plastikflasche ankamen, stoppten wir, der eine Fischer, Alexandr, zog an ihr und entbloesste das Netz. Iwan, der andere Fischer, leitete mich an, wie ich (aus Leibeskraeften) rudern soll, um das Netz zu drehen und die Fische darin zu fangen. Lange hat es nicht gedauert, da stand mir auch schon der Schweiss im Gesicht. Doch mit jedem Zentimeter Netz, das an die Oberflaeche kam, wurden die Fischer enttaeuschter und muerrischer - keine Fische. Nur kleine, mittelfingerlange Fischis mit langen Vorderflossen konnte ich bergen, waehrend Alexandr und Iwan schon anfingen, aus Jux, die Frau an Bord zu beschuldigen.

Doch dann, relativ spaet zeigte sich ein grosser, um sich schlagender Fisch. Gefangen im Netz, wurde er mir uebergeben und ich befreite ihn. Der Fang wurde gleich mir zugeschrieben und Iwan lud mich mit meinen Freunden zum Essen ein - "Ein Kilo Fisch, den werd ich euch gleich braten!"

Mit dem Boot holten wir schnell meinen Freund und Lilly ein, die langsam in Richtung Hoehlen trotteten. Ich gesellte mich zu ihnen und wir verabschiedeten uns von den Fischern - bis gleich.

An der Hoehle, die man erst nach einem Dickicht und einem steinigen Aufgang erreicht hat, hatte man einen wirklich atemberaubenden Blick auf den Baikalsee, der sich zwischen den Bergen und Klippen erstreckte. Die Hoehle selbst, fuehrte in einen kleinen Tunnel, der mir persoenlich Platzangst machte. Nachdem wir fotografisch die Gegend dokumentierten, marschierten wir rasch zurueck zum Dorf, wo uns der Fisch erwartete.

Iwan zerschnitt ihn, tupfte ihn in Mehl und Salz, legte ihn dann in die heisse Pfanne, wo er einen wunderbaren Duft verstroemte und nicht nur den Kater von draussen reinlockte. Im Fischerhaeuschen wurden wir dann zu Tisch gebeten und wir liessen den frisch Gefangenen und Gebratenen schmecken. Waehrenddessen erzaehlte uns Iwan mit seiner sonnengegerbten Haut, seinem vom kurzen Bart verschleierten Gesicht und seinen blauen Augen von seinen Toechtern, fuer die er sorgt, von seinen Enkeln, die er ins Dorf holen will, von seinen Plaenen, die Fischerhuelle heimelig zu machen und von seiner Vergangenheit, in der er viel in der Touristenbranche gearbeitet hat. Mit ein paar chinesischen Worten vermochte er uns auch zum Lachen zu bringen, waehrend wir den Fisch mit Kartoffeln verputzten. Gleich darauf wurden wir mit Wodka verkoestigt und durften einem echten russischen Toast beiwohnen, der ueber die Seele des Baikals und unsere Reise handelte.

... Fortsetzung folgt...

Sonntag, 19. August 2012

14.8.2012

Irkutsk

Nach 50 Stunden Zugfahrt wachten wir in unseren engen Betten auf und fruehstueckten gemuetlich auf den wenigen freien Plaetzen, die einen Tisch und gute Aussicht durchs Fenster boten. Bald schon, nur noch 6 Stunden, dann sind wir da, sagten wir uns immerwieder und trauerten schon der schoenen Zugfahrt hinterher.

In Irkutsk angekommen erwartete uns ein Landschaftswechsel. "Das ist ja wie in China", meinte mein Freund und ich schaute mich um. Ueberall wuselten asiatisch aussehende braungebrannte Maenner und versuchten, jeden Ausgestiegenen in ihr Taxi zu locken. Grosse gelbe, rote und blaue Werbebanner zierten die Haeuser gegenueber vom Bahnhof. Die Strasse, deren unzaehlige Schlagloecher mit Pfuetzen gefuellt waren, fuehrte nur in zwei Richtungen und beide sahen nicht einladend aus. Doch anhand unserer Wegbeschreibung fanden wir recht schnell zu unserem Hostel, was mal wieder wie eine umbearbeitete Eigentumswohnung aussah. Im Hostel wurden wir mit fliessendem Englisch begruesst und von einer sauberen Toilette erfreut. Das gemuetliche Wohnzimmer, das direkt mit der Kueche verbunden war, wurde von vier Hollaendern belagert, die am Esstisch einen Actionfilm ueber den Gemeinschaftscomputer schauten.

Es war schon Abend, als wir unsere Zimmer bezogen, aber unsere leeren Maegen und die Neugierde auf die neue Stadt trieben uns raus. Zwar schauen Staedte im Dunkeln an sich nicht besonders gut aus, aber Irkutsk fesselte uns auch bei schwacher Beleuchtung mit seinen pompoesen Bauten und natuerlich auch der Leninstatue im Zentrum. Bis jetzt gab es wirklich in jeder russischen Stadt den russischen Revolutionaer mit wehendem Mantel und vorauszeigendem Finger in der Mitte der Stadt. Nachdem wir keine kleine Imbissbude fanden, statteten wir dem naechsten "Produkti" (wie es meine Mitreisenden nennen; ein kleiner Supermarkt im Tante Emma Stil) einen Besuch ab und assen unser aufgewaermtes Essen im Hostel.

Das Gute an Hostels - man lernt viele nette Leute kennen. Wir unterhielten uns mit den Hollaendern, die mit ihren Motorraedern Kasachstan erkundet haben und jetzt die Transsibstrecke entlang fahren. Und wir lernten den deutschen Thorsten kennen, der von seiner Arbeit am Great Baikal Trail letztes Jahr so begeistert war, dass er dieses Jahr durch das Baikalgebiet backpackt. Der Great Baikal Trail fuehrt um den Baikal herum, ist aber noch nicht ganz ausgebaut, sodass jedes Jahr Volontaere aus aller Welt mitbauen duerfen.

Das heiss erwartete Bett gab uns jeden Komfort, den wir in der Bahn vermissten: Breite, Laenge und weniger Leute, die zum Klo vorbeihuschen.

16.8.2012

Bolshoe Goloustnoe - Kadiljnaja

Nachdem jeder noch seinen Magen gefuellt und die letzten Sachen gepackt hat, gingen wir noch ein letztes Mal auf das Plumsklo und machten uns auf den Weg zu unserem zweiten Baikalstopp - Kadiljnaja, 20 km am Baikalsee entlang.
Doch zuerst muss man, wie das so ist, den Eintritt in den Baikaler Nationalpark zahlen. Das Buero, die bergnaheste Huette im Dorf, fanden wir Dank Tujana schnell und wurden von vier dahinvegetierenden Rangern begruesst. Die in Kriegsstrampler (die mit den verschiedenen gruenen Flecken) angezogenen Maenner verteilten sich auf den kargen Raum mit den zwei Buerotischen und fingen an, wichtig zu sein. Waehrend der eine unsere Erlaubnis per Hand schrieb, schaute der andere boese in die Luft. Wir zahlten pro Nase pro Tag und erhielten eine kleine Urkunde, die wir auf Nachfrage jedem Ranger im Wald zeigen mussten. Nach nur 10 Minuten "Amt" und fuer russische Verhaeltnisse netter Behandlung waren wir befugt, unsere Wanderung anzutreten.

Die zentrale Strasse, die als einzige asphaltiert ist, fuehrte uns an verschiedenen Huetten, einer Kirche und einem Leninkopf im Garten eines bewohnten Hauses zum Baikalsee, an dem nun der Wanderweg startete. Irgendwann am Anfang der Strasse lief uns ein schwarzer grosser Hund zu, der an uns schnupperte und meinen Freund und Lilly ein bisschen verschreckte. Doch als er anfing, uns staendig vorauszulaufen, gewoehnten sich die beiden an seinen Anblick. Der Hund, mit seinen paar grauen Stellen im Fell, kannte anscheinend den Weg und begleitete uns, denn er blieb immerwieder stehen, schaute sich um und versicherte sich, dass wir ihm folgen. Schon bald hielten wir nach ihm Ausschau, doch insgeheim machte ich mir Sorgen, er koennte sich an uns so sehr gewoehnen, dass er dann nicht versteht, dass wir ihn nicht mitnehmen und fuer ihn sorgen.
Im Hinterkopf hatte ich die beruehmte Geschichte eines russischen Poeten ueber einen Hund, der in Touristen Menschen findet, die ihn liebhaben und gut behandeln, doch als sie dann weggehen, fuehlt sich der Hund so verlassen, dass jeder, der die Geschichte liest, sich vornimmt, nett zu den sabbrigen Vierbeinern zu sein.

Doch der Hund verlangte keine Streicheleinheiten, bellte nicht nach Leckerlis, er beleitete uns einfach auf dem Weg. An unserem ersten Stopp, wo wir zum ersten Mal aus dem Baikalsee schluerften, legte er sich hin und schlief eine Runde. Es dauerte naemlich seine Zeit, bis wir die beste Methode fuer das Wasserschoepfen entwickelten. Mein Freund war sehr stolz auf seine Konstruktion, die er aus Draht und einem Flaeschchen bastelte. Doch wir undankbaren Maedels wuerdigten seine Erfindung mit nur einem einzigen Foto und schoepften dann mit unserem legendaeren Plastikbecher (der schon in der Transsib schwarzen Tee und in der Vornacht den ersten russischen Wodka servierte) das klare frische Wasser aus dem grossen See.

Der kalte Wind, der unbarmherzig durch jede kleinste Pore drang und in den Nacken kletterte, trieb und bald weiter und der Hund rannte wie immer vor. Unser Weg fuehrte uns an den hohen und den steinigen Ufern entlang, fuehrte uns in die russischen Waelder, an Klippen vorbei und der Sonne engegen. Der Himmel war bewoelkt, aber die Sonne fand ihren Weg hindurch und gab uns einen schoeneren Ausblick, als wir je erwartet haetten.

Zwischendurch trafen wir ein ukrainisches Paerchen, das nach ihrer Tramp-Reise nach Peking jetzt auf ihrem Rueckweg auch den Baikal erobert, und unterhielten uns ein wenig mit denen. Sie fragten uns nach unserem Hund und wir antworteten, dass wir nicht einmal einen Namen fuer ihn hatten. Aber schon bald trennten sich unsere Wege und wir wuenschten uns gegenseitig einen guetigen Wettergott.

Irgendwann verliess uns der Hund und einerseits waren wir alle traurig, die weitere Wanderung ohne unseren treuen Weggefaehrten bestreiten zu muessen, aber andererseits war ich erleichtert, dass der Hund wahrscheinlich zu sich nach Hause gelaufen ist, wo er sicherlich auch erwartet wurde. Der Weg wurde nasser, denn es fing an zu nieseln und die sich auf den Blaettern und Straeuchern ansammelnde Fluessigkeit streiften wir mit unseren Beinen ab. Schon bald waren alle ab den Knien plitschnass und in den Schuhen meines Freundes konnte man den sinkenden und steigenden Wasserspiegel bei jedem Schritt erkennen.

Doch bald wurde der Regen staerker und das Laufen unangenehmer. An einer Stelle nahmen wir eine falsche Abzweigung, die uns am Ufer entlangfuehrte, das nicht immer leicht begehbar war. Nach einer langen Weile, als wir die ersten Kuhfladen vor unseren Fuessen fanden, schaetzten wir uns nicht weit von der Zivilisation und freuten uns auf die Unterkunft.

Als wir endlich ankamen, durchnaesst und fertig, wurden wir von ein paar nett grinsenden Maennern empfangen und mussten gleich unsere Nationalparkerlaubnis vorzeigen. Gegen eine fast symbolische Summe durften wir einkehren, aber auch erkennen, dass es in dem Bettenhaus kaum waermer war als draussen. Zum Glueck kam eine moskauer Reisegruppe vorbei, fuer die es sich lohnte, trotz Sommer (man bemerke, dass es fuer die Sibirjaken auch bei 8 Grad keinen Grund fuers Heizen gibt) den Ofen anzufeuern. Ich nutzte gleich die Gelegenheit, alle unsere triefenden und stinkenden Sachen zum Trocknen ueber dem traditionell weissen Ofen aufzuhaengen.

Das Klo in dieser Unterbringung war zwar fortschrittlicher, mit Spuelung und Kloschuessel, war aber zu weit weg (hinter einem Zaun, neben einem Pferd, das graste) um es wertzuschaetzen.

Die fuenf Huetten, die in diesem kleinen Ort standen (fuer zwei Familien, die hier wohnten, zwei Fischer auf Durchreise und die wechselnden Gaeste) wurden von Pferden, Kuehen und einem Kater bewacht.
Das schneeweisse Katerchen mit den orangen Flecken, weckte in jedem einen Kuscheltrieb und schnerrte und schmuste sehr, wenn man anfing, ihn zu streicheln.

Spaeter lernten wir zwei deutsche Wanderer aus Berlin kennen, mit denen wir uns gleich zum Abendessen verabredeten und zusammen einen weiteren Wodka probierten. Unser Fazit war, dass selbst der mittelbillige Wodka in Russland besser schmeckt, besser aufwaermt und weniger Kopfschmerzen bereitet, als ein teurer Wodka in Deutschland.

Mit ein bisschen Wodka liess es sich wunderbar ueber Politik Deutschlands, Russlands und eigentlich auch der ganzen Welt gut diskutieren, bis die eingebrochene Nacht uns in unsere Betten zog.

15.8.2012

Irkutsk - Bolshoe Goloustnoe

Dieses Dorf wird euch wahrscheinlich nichts sagen - aber es ist in unserem Reisefuehrer, also haben wir uns auf den Weg gemacht, es zu erkunden.

Unsere Nacht in Irkutsk haben wir genossen und gleich am Morgen des naechsten Tages gepackt und uns aufgemacht, die Sehenswuerdigkeiten der Stadt abzuklappern und dabei den Busbahnhof und den City-Markt zu finden.
Doch zuvor lernten wir den Deutschen Lars kennen, der vor allem mich zu der Person erwaehlte, der er erstens seine Lebensgeschichte und zweitens die seine Lebensweisheiten eroeffnet hat. Schon nach zwei Minuten Redeschwall machte ich mir die Gedankennotiz, niemanden mehr ohne gruendliches Beobachten und Abwaegen anzusprechen. Mich rettete seine Muedigkeit und ich fluechtete aus dem Gespraech, das mich noch lange verfolgen wird.
Wie schon in der Nacht vermutet, zeigte uns die Stadt im Licht ihre Schoenheit und wir erkundeten die wichtigsten Strassen: Leninstrasse und Karl-Marx-Strasse. Der Markt entpuppte sich als ueberdimensionales Gebaeude mit extrem vielen kleinen Staenden, wo meistens das Gleiche verkauft wurde. Mein Freund wurde gleich von einem Stand mit eingelegten Lebensmitteln. Die Frau, vom Aussehen Burjatin, witterte ihre Chance und legte schon die ersten Leckerheiten bereit zum Probieren. Nach den ersten Geschmackexplosionen beschlossen wir, doch was zu kaufen, ohne wirklich zu wissen, ob sie uns Deutsche nicht uebers Ohr hauen koennte. Mit ihren schnellen Bewegungen fischte sie aus jeder Koestlichkeit einen Happen fuer jeden und liess uns probieren. Schnell wurden aus einem Becherchen gleich drei und 300 Rubel waren weg. Dafuer bekamen wir auch noch was geschenkt, ein paar Hundert Gramm zum Probieren und Fingerschlecken.

An anderen Staenden wurden frische und geraeucherte Fische angepriesen, Fleisch an den Mann gebracht und Torten ueber den Tresen gereicht. Die innenohrschaedigenden Konversationen dabei verstand nur ich;
"Lecker Fleisch, ganz viel ganz guenstig, kauft kauft!"
"Salate, Salate, wer will Salate? Ganz billig!"
"Der Preis ist fuer 100g gedacht, koennen Sie nicht rechnen?"
"Ich spreche Sie hoeflich mit 'Sie' an, was soll jetzt das 'Du'?!"
"400 Rubel pro Kilo? Sowas gibt es auch nur in Russland, das kann ja wirklich nicht sein!"
"Torte, Torte, ganz lecker, ganz billig!"
"Hey, willst du Handy? Sicher nicht gestohlen."

Vom Markt noch ganz mitgenommen, stapften wir entlang des Flusses Angara. Immerwieder fanden wir Liebeserklaerungen, Entschuldigungen und Anleitungen fuers Laecheln auf den Boden gesprayt. Sehr interessant war auch unsere Begegnung mit der russischen Jugend, maximal 15 Jahre alt, die rauchte und schimpfte, wie Kriegsveteranen mit Alkoholproblem.
Der Angara, ein klarer, kalter Fluss, bewegte sich zwar kaum in der Naehe des Ufers, liess aber seine Stroemung in der Mitte durch die kraeuselnden Wellen erahnen. Eine russische Legende (und ich weiss nicht, ob ich sie nicht schon erwaehnt habe, also bitte ich zu entschuldigen, falls ich mich wiederhole) besagt, dass Vaeterchen Baikal eine Tochter hatte - Tochter Angara. Aber Angara verliebte sich gegen Vaters Willen in einen grossen russischen Fluss, den Jenissej. Doch Vaeterchen Baikal war gegen sie Liebe und so blieb Angara nur die Flucht zu ihrem Liebsten. Und so fliesst also die Angara als einziger Fluss auf der Welt aus einem See hinaus und muendet im Jenissej.

Am Busbahnhof angekommen hatten wir noch viel Zeit, um uns durchzufragen, wo denn der Bus nach Bolshoe Goloustnoe faehrt. Immer woanders hin manoevriert, fand mein Freund als erster den Bus, der mit seinem alten und staubigen Aussehen keinen sicheren Eindruck machte. Der Fahrer, seine Haut sonnengegerbt und seine Stimme nikotinverbraucht, wies uns in unsere vorgebuchten Plaetze. Die Plaetze zu reservieren war ein Abenteuer fuer sich, da man nur an bestimmten Tagen zu einer bestimmten Zeit den Chauffeur persoenlich anrufen musste. Das waere kein Problem gewesen, saesse ich nicht zu diesem Zeitpunkt im Zug, wuerde mein Schlafrhythmus nicht nach Moskauer Zeit funktionieren und gaebe es nicht nur an wenigen Zwischenstopps des Zuges Netz. Und so stand ich in der Frueh um 6 Uhr auf und versuchte an jeder Station anzurufen, bis endlich das Handy mich verband. Der Chauffeur schrieb sich meinen Namen erst beim dritten Mal Buchstabieren in seinen kleinen College-Block, von dem er dann ihr heute wieder komplett falsch ablas.

Im Bus mussten manche Leute stehenbleiben, so voll war es. Und stehenzubleiben war eine gar nicht allzu leichte Geschichte. Denn bald hinter den Grenzen Irkutsks endete der schoene Asphalt und danach kamen gefuehlt nur noch Schlagloecher. Wer keine Probleme mit Reisekrankheit hatte, wurde schnell vom schaukelnden Fahren eingelullt. Die anderen hielten sich fest und bissen die Zaehne zusammen. Ich verschlief die ersten 30 Kilometer und beobachtete dann die Vegetationen, die an uns vorbeiglitten. Birkenwaelder, Muell und Staub begleiteten unsere Busfahrt. Die Staubwolke zog weit hinter uns Kreise und die wenigen Autos, die uns entgegenkamen, konnten froh sein, ihre Fenster geschlossen zu haben.
Nach einer Stunde wurde eine Pinkel- und Raucherpause eingelegt, etwas, was in Deutschland heutzutage entweder mit Augenverdrehen und Diskussionen ueber den insuffizienten Bau einer weiblichen Blase oder mit Belehrungen ueber die schaedliche Wirkung von Nikotin einhergeht. Aber im tiefen Russland ist das alles egal.

Ab und an kamen wir an kleinen hoelzernen Huetten vorbei, die nur durch ihre weissen Tuellvorhaenge vermuten liessen, dass Einwohner dort verweilen. Kinder spielten auf der Dorfstrasse mit Hunden, Omis auf Baenken winkten dem Fahrer und einigen Insassen des Busses zu. Der immer staerker werdende Wind blies den Staub in die Sicht des Fahrers, der sicher und vorsichtig an den groessten Schlagloechern vorbeinavigierte. Die Menschen, die mal aus- und einsteigen machten den Eindruck, dass es draussen kaelter war als in Irkutsk.

Als ich im Bus fragte, wo ich am besten aussteigen sollte (auf den ersten Blick durch das Dorf musste ich mich doch wundern, ob es wirklich sein kann, dass ein Dorf von den Ausmassen ueberhaupt eine Station namens 'Schule' haben koennte), fragte mich gleich eine Burjatin, ob ich denn Mimi sei, denn sie sei die Vermieterin und dachte sich schon, dass wir mit dem einzigen Bus des Tages ankommen wuerden.
Wir steigen zusammen aus und das 1000-Seelen-Dorf (welches wirklich nach weniger aussah) breitete sich in seiner gesamten Schoenheit vor uns aus. Die kleinen Huetten, aus einem dunklen Holz gebaut, gaben dem Ort etwas gemuetlich Verschlafenes, und hinter ihnen erstreckte sich auch schon der Baikalsee, der unter dem schwachen Sonnenlicht blau lauchtete.
Tujana, so stellte sie sich vor, fuehrte uns auf dem erdigen Boden an den Pferden, die neben der Hauptstrasse grasten, vorbei an unsere Behausung. Durch ein Loch im Holzzaun griff sie durch, schob den Riegel auf der anderen Seite weg und vor uns breitete sich eine grosse Wiese mit ein paar kleinen hoelzernen Haeusern aus. "Ich habe meine Schaefchen heute druebergeschickt, die haben fuer mich den Rasen gemacht. Deswegen wundert euch nicht ueber die Koettel", sagte sie und steig mit ihren zerschlissenen Schuhen, aus denen ihr grosser Zeh ragte, ueber einen groesseren Haufen Schafexkremente. Sie zeigte uns das Betthaus, in dem wir diese Nacht alleine schliefen, die Kueche, die auf 5 qm alles beinhaltete, was man braucht, ausser ein Spuelbecken. In einem grossen Bottich stand das Trinkwasser direkt aus dem Baikalsee, das man mit einem grossen Schoepfloeffel umfuellen konnte. Das Plumsklo, natuerlich nach alter Manier im Garten und mit einer Tuer, die weniger verdeckt,als sie entbloesst, ueberraschte uns mit seinem akkuraten Bau, dem wenigen Gestank und den symmetrisch angebrachten Holzlatten fuer die Fuesse an beiden Seiten des Loches.
Nachdem Tujana uns noch eingeschaerft hatte, das Klopapier in den Eimer daneben zu werfen, entliess sie uns in den Abend.

Der Magen trieb uns wie immer in ein Lebensmittelgeschaeft, das Lilly unbedingt fotografieren wollte - es war zu lustig zu sehen, wie die eine Haelfte des Ladens Essen und die andere Haelfte Wodka zum Verkauf anbot. Der frische Fisch auf der Theke lachte uns so sehr an, dass wir sofort zuschlugen, nicht ohne nochmal die junge Verkaeuferin gefragt zu haben, wie man ihn am besten zubereitet.

Daheim veranstaltete ich meine erste Lehrstunde im Ausnehmen eines Fisches - gut dass ich bei meiner Mutter so gut aufgepasst hatte, jetzt konnte ich mich wichtigtuerisch vor dem Kuechentisch aufbauen und jeden in seine Schranken weisen, der das Messer auch nur falsch in der Hand hielt. Dass ich selbst erst gerade mal einen oder vielleicht zwei Fische eigenhaendig ausgenommen hatte, liess ich unter den Tisch fallen. Wie damals mein Professor sagte "Bluffen ist wichtiger als wissen!".

Mit unseren eingelegten Vorspeisen fast sattgegessen, machten wir uns ueber den im Ofen gebackenen Fisch mit Kartoffeln her und waren erstaunt, dass man sogar als Nichtgourmet den Unterschied zwischen frischem russischen und gefrorenem deutschen Fisch (ausgenommen Hafenstaedte!) schmecken kann.

Nach einem schmackhaften Essen muss man ruhn - oder Tausend Schritte tun. Wir entschieden, dass unseren Baeuchen ein Spaziergang gut tun wuerde und stapften der Nase nach raus. Abeuteuerlustig nahmen wir eine Abkuerzung zum Baikalsee und verliessen die Strasse. Im Hellen waere uns vielleicht aufgefallen, dass der Baikalsee weit weg ist und die Umgebung komischerweise viele kleine Huegel hat. Haetten wir auch vorher auf unsere Karte vom Dorf geschaut, haetten wir vielleicht gesehen, dass wir uns auf einen Sumpf mit lauter kleinen Baechen und Pfuetzen zubewegen. Das erste, was uns auf die moorige Umgebung aufmerksam machte, waren die Muecken, die ohne Gnade alle freien Hautareale abrasten, in Kapuzen flogen und Nasenloecher von innen betrachteten. Ploetzlich hatte ich einen nassen Fuss und es war nicht mehr allzu lustig, durch die komische Huegellandschaft zu laufen. Oft versank man zwischen zwei Grashaufen bis zu den Knoecheln und verlor fast das Gleichgewicht. Nach einem wuesten Geschimpfe von meiner Seite (zu meiner Verteidigung - mein Fuss war nass und die Muecken nervten), gaben wir den Plan auf, in einer Landschaft ohne Licht und Laternen das Baikalufer zu suchen und retteten uns auf festen Boden der Strasse, die uns wieder sicher in unser Heim fuer diese Nach brachte.

Dienstag, 14. August 2012

13.8.2012

Der Tag der Ereignisse

Heute war ein interessanter Tag voll von verschiedenen Leuten, verschiedenen Meinungen und verschiedenen Ideen.
Wir haben heute kennengelernt:
Die Sibirjakin
Die Lesbin
Die reiselustige Geschiedene
Die reichen Oma und Opa, die mit ihren Enkeln reisen
Der Betrunkene, der fuer Angst gesorgat hat

Die Sibirjakin
Eine Dame mittleren Alters mit roten wallenden Haaren setzte sich mittags zu uns. Sie hatte Sonnenblumenkerne dabei und knackte sie geschickt mit ihren Vorderzaehnen auf. Irgendwann kamen wir ins Gespraech ueber dies und das. Sie, geschiedene Mutter von zwei Kindern, war frueher mit einem Alkoholiker verheiratet, den sie genau dafuer dann verliess. Spaeter kodierte er sich. Kodieren - sich einen Gegenstand unter die Haut einnaehen lassen, der bei 1 aus 10 Menschen auf Alkohol reagiert und den Menschen vergiften kann (fragt mich bitte nicht wie, aber es funktioniert). Ihr oberstes Ziel ist die Erziehung ihrer Kinder zu Menschen mit einem Ziel. In RUssland, sagt sie, wird es nicht gefoerdert, dass Kinder ein Ziel haben. In der 8. Klasse, sagt sie, muss man schon wissen, was man werden will. In diesem Moment dachte ich kurz nach, ob ich mich ueberhaupt daran erinnere, was ich damals werden wollte. Wahrscheinlich Ballerina oder Meeresbiologin, aber immerhin - ich hatte ein Ziel!
Sie selbst, ehemals Paedagogin, jetzt Karrierefrau, arbeitet in einer kasachischen Kosmetikfirma, die gerade jetzt Rechte fuer Deutschland kauft. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, wuerde ich mir auch das ein oder andere Produkt kaufen wollen.
Die SIbirjakin schwaermte sehr viel von den Weiten Sibiriens, in denen manchmal minus 63 Grad herrschen. Die Waelder, fuer die man in der Schule extra einen Orientierungkurs besuchen muss, die nicht aufhoeren und nicht anfangen, in denen man sich verlaufen kann, ohne je wiedergefunden zu werden, ja, das ist ihre Heimat.

Die Lesbe
17 Jahre alt, aber sehr stark in ihrer Meinung, Russland verlassen zu muessen, wollte die Lesbe von uns wissen, was man alles fuer eine Einreise nach Deutschland machen muss. Auf ihre Frage hin, ob es wahr ist, dass man als Lesbe in Deutschland nicht angespuckt wird, und ihre Reaktion auf meine Antwort ("nein, natuerlich nicht") machte sie so grosse Augen, dass mir ihre Sexualitaet kein Geheimnis mehr war.
Sie ist sehr politisch aufmerksam, aber leider nur, was die homosexuellen Rechte in Russland betrifft, ueber Putin konnte sie mir nichts erzaehlen.

Die reiselustige Geschiedene
Mit 34 schon geschieden, so fing unser Gespraech schon an. Aber waehrenddessen hatte ich das Gefuehl, dass sie mir nahebringen wollte, dass ihr das ncihts ausmacht und sie mit ihrem 5jaehrigen Sohn keinen Mann braucht.
Sie hat sich sehr zu Russland distanziert und ueber die Unordnung im System geschimpft. Ihr Traumland, was sie schon in zahlreichen Urlauben abgereist hat, ist die Tuerkei und ihr Traum ist es, Dolmetscherin fuer Tuerkisch zu werden.

Die reichen Oma, Opa und ihre Enkel
Mit ihren Laptops und IPhones bewaffnet, redeten die Enkel wenig mit uns. Dafuer aber haben uns die Grosseltern sofort ins Herz geschlossen. Die Oma, eine Englischlehrerin, beschwerte sich gleich ueber die Pingeligkeit und Geizigkeit der Deutschen, lobte sie aber fuer die Ordnung und die schnellen sauberen Zuege. Der Opa, leicht an einen verrueckten Professor erinnernd, erzaehlte uns Anekdoten aus seinem Leben und grinste uns mit seinem vergoldeten Gebiss an. Die beiden sind das beste Beispiel, dass Patchworkfamilien sehr gut funktionieren. Beide waren frueher verheiratet, bevor sie sich kennen und lieben lernten und jetzt seit 26 Jahren verheiratet sind. Sie haben keine gemeinsamen Kinder, dafuer aber einen guten Sinn fuer Humor und eine Lebenslust, die mir bei manchen aelteren Leuten fehlt. Sie erzaehlten uns gleich ueber ihre Kinder, ihre Kinder und die traurige Geschichte der neidischen Exehefrau. Sehr offen.

Der Betrunkene
Schon am Bahnsteig, an dem wir uns die Beine vertreten wollten, fiel mir der kleinere, dickere Mann auf, der schon beim Einsteigen gefaehrlich schaukelte. Irgendwas brummelte er in seinen nicht vorhandenen Bart, als er uns als Deutsche enttarnte. Doch als er sah, dass ich noch russisch kann, fing er ein ganz komisches Grinsen an, dass ich meine beiden Freunde schnell in den Zug lotste. Leider sass der komische Mensch auch in unserem Waggon und kam am Abend zu unserer Sitzgemeinschaft bei den Grosseltern und rueckte erst Lilly, dann mir auf die Pelle. Der Opa mit mit den goldenen Zaehnen steckte dem betrunkenen Kerl gleich, dass ich vergeben bin, worauf der Betrunkene schon kampfbereit Reden von "Will er mir die Fresse einschlagen oder was?" schwang. Die Oma versuchte ihn, mit Worten zu beschwichtigen, wer weiss, wozu ein betrunkener Russe faehig ist. Als er sich verzog, ging ich schnell der Waggonfuehrerin, die die Nachtschicht hatte, bescheidsagen, dass ein Betrunkener sein Unwesen treibt. Sie, Bohnenstange, schritt zu dem Kerl und wies ihn in seine Schranken, nicht ohne Diskussion ("Was, wer ist die, die kenne ich nicht", "Sie ist Auslaenderin, schmeiss sie aus dem Zug", "Dir blueht was, Schaetzchen"). Danach klopfte mein Herz doppelt so schnell. Denn der Betrunkene liess leider nicht locker. Er ging zu mir und meinem Freund und fing an, uns "Faschisten" mit irgendwelchen Onkeln und Telefonnummern in seinen Handys zu drohen. Da ich beide nicht kannte, konnte ich ihn nur dumm anschauen und hoffen, dass er mein rasendes Herz nicht an meinen Halsschlagadern erkennen konnte. Nachdem diese Drohung nicht wirkte, machte er weitere Anstalten, mich zu verunsichern, wechselte dann seine Taktik und versuchte, mich auf eine Zigarette einzuladen. Die Oma eilte herbei und fing an laut zu reden, was die vorbeigehende Waggonfuehrerin mitkriegte: "Moment, ich komm gleich", sagte sie, rannte schnell zu ihrem Zimmer, kam zurueck und drohte dem Betrunkenen, ihn gleich an der naechsten Station rauszuschmeissen. Mein Herz drohte zu explodieren. Ich stand direkt an Lillys Bett, die genauso verschrocken aussah, wie ich mich fuehlte, und die gleich den Arm nach mir ausstreckte und mir zuflues t erte, ich soll mich heute Nacht doch zu ihr ins Bett gesellen. Meine Gedanken rasten. Ich wusste ja nciht, wie man so einen Betrunkenen in Russland einschaetzen sollte. Reagierte ich ueber? Oder wollte er wirklich ein paar Schlaege verteilen, egal, ob Mann oder Frau vor ihm steht? Aber sobald mein Freund sich in der Naehe zeigte, der einen halbten Kopf groesser als der Betrunkene war (er stellte sich irgendwann als Serjozha vor), wurde er ruhiger und verschwand schnell wieder zum Rauchen. Nach einer letzten Diskussion mit der Waggonfuehrerin setzte er sich auf seinen Platz und muckte nicht mehr. Ich traute mich mit den Worten meines Freundes ("Wenn er was macht, kannst du anfangen zu schreien und dann sind 56 Menschen bereit, ihn zu lynchen") in mein Bett, wobei ich ihn weitere 2 Stunden lang beobachtete, bevor er ausstieg und ich mich meinem lang ersehnten Schlaf hingab.

Ein ereignisreicher Tag, das kann man schon so nennen.

12.8.2012

Gleich am Morgen frueh aufgewacht (unser Schlafpensum haben wir ja schon am Vortag abgearbeitet) haben wir diesmal klug gepackt und fuer die kommenden 58 Stunden eingekauft. Danach ging es gleich zum Bahnhof, wo unser Zug schon auf uns wartete. Unser Schaffner, ein langer duenner Mann mit weit auseinanderstehenden Zaehnen, grinste, als er uns als Auslaender enttarnte. "Ich hatte auch schon mal welche ganz ohne Dolmetscher (er zeigte auf mich), mit denen hab ich dann mein eingerostetes Englisch wieder ausgepackt!" Was er als 'eingerostet' bezeichnet, wuerde ich eher 'komplett vernichtet' nennen. "Foot down", sagte er, als er unsere Fuesse oben sehen wollte, und "Foot up", als wir sie wieder ablegen durften. Von wegen "Saenk ju vor traevelling mit russisch Bahn".
Aber fuer seine charmanten Versuche und seinen Spass an der Sache kriegt er nicht nur von mir 10 Punkte.

Diesmal weniger Glueck mit der Bettverteilung, fanden wir unsere Betten nicht einmal direkt nebeneinander laengs am Gang. Doch dafuer war der Zug nicht so voll und wir kuschelten uns ein eine Ecke mit einem Tisch, wo wir redeten, lasen, schliefen und wieder redeten. Ich versuchte, meinen beiden Mitreisenden das russische Kartenspiel "Durak" (Vollidiot) beizubringen und schon bald traute ich ihnen zu, gegen meine manipulativen und moglerischen Spieltechniken anzukommen. Sie murrten, aber mindestens ich alleine hatte meinen Spass.
Ausserdem liessen wir keine Gelegenheit aus, darueber zu sinnieren, wie schoen es doch ist, mit der Bahn zu reisen. Zugegeben - das klo ist ekelig. Gut - es gibt eine nicht funktionierende Klimaanlage. Was soll's - die Luft steht. Ach was - sogar die Russen selbst schimpfen den wirklich alten Waggon, der dreckig ist.
Doch wir mit unserer abenteuerlustigen Naivitaet sahen das gar nicht. Mein Gott, dann muss man auf dem Klo den Rock zwischen die Beine klemmen, damit er an nichts Stinkendes anstoesst. Nicht schlimm, der Zugfuehrer wischt doch jeden Tag ein Mal durch. Alles Negative wird mit einer Handbewegung fortgewischt und was bleibt, ist ein Laecheln im Gesicht.
Dann haben wir im naechsten Zug mehr Glueck!

Es ist ziemlich bequem im Zug, muss man sagen, wenn man davon absieht, dass die Betten kaum breiter als 55 cm sind. Jeder ist in Schlaflaune (wir vermuten, dass die russische Bahn CO2 in die Waggons fuellt, um die Passagiere ein bisschen in Narkose zu versetzen), jeder ist entspannt und so wird man selber entspannt. An den groesseren Stationen kann man raus (da haelt der Zug mindestens eine halbe Stunde) und sich die Beine vertreten, vielleicht etwas kaufen, was einen aus den Essensstaenden anlacht. Man kann aber auch schnell in die Bahnhofshalle duesen und sich wenigstens die Vorhalle einer neuen Stadt anschauen. Am Wangenende steht ein grosser Samowar, aus dem man heisses Wasser kostenlos schoepfen kann und den Tag mit einem schoenen Tee im Bett verbringen kann. Wer hat sich nicht schon mal gewuenscht, mal wirklich nichts zu machen, und war dann zu inkonsequent, da irgendeine Aufgabe trotzdem gerufen hat? Der soll doch bitte in einen russischen Zug steigen und bis ans andere Ende des Landes reisen. Keine Sorge - die Zeit vergeht schneller als man denkt!

Direkt gegen Abend machten wir dann unsere erste Bekanntschaft. Die wunderschoene Burjatin - wer kennt schon Burjatien, die kleine russische Republik am Baikal? - mit ihren langen schwarzen Haaren und den gruenen Augen erzaehlte uns von ihrem Heimatland und ihren Braeuchen. Wer haette gewusst, dass dieser kleine Ort mit der Hauptstadt Ulan-Ude komplett buddhistisch ist? Sie erzaehlte uns, wie die religioesen Oberhaeupter, die Lamas, Hochzeiten planten und mal ein Brautherz enttaeuschen konnten, wenn sie das naechste Jahr als heiratsungeeignet befanden.

Mit meinem Plan, die russische Bevoelkerung auf die Politik abzuklopfen, ging ich relativ direkt von Heiraten auf Putin ueber. Dieser rasche Themenwechsel hat sie - glaube ich - verunsichert. "Wir lieben alle Putin und ganz Russland ist auf seiner Seite" versicherte sie mir und ballte ihre Faust. Und auf meine Frage zu Pussy Riot antwortete sie mir: "Wissen Sie, wir leben hier in eienr Demokratie und die Regierung ist sehr transparent. Sie hat naemlich uns erklaert, dass Amerika die drei Maedchen angestiftet hat. Amerika will naemlich unsere Ordnung hier stuerzen.", fluesterte sie mir noch schnell zu und ging dann ihre Tochter ins Bett bringen.

Gedankenverloren machte ich mir mein Schlaflager zurecht und las bis das Licht vom Waggonfuehrer ausgeschaltet wurde.

11.8.2012

Jekaterinburg 2

Komplett verschlafen, da anscheinend unterbewusst sich niemand fuer den Wecker zustaendig fuehlte, standen wir am Morgen des zweiten Tags in Jekaterinburg auf. Gleich zu Beginn machten wir Bekanntschaft mit der relativ kurzen (8 Stationen) Metro der Stadt. Das war ein Geheimtipp des Hostel-Opas, der von einer neuen Station sagte, sie waere das achte Weltunder. Ueberrascht, dass die Stadt, die relativ klein scheint, ueberhaupt eine Metro besitzt, machten wir uns auf die Suche auf die Schoenhein der Metro. Was uns aber entgegenwehte, war der kalte Wind aus dem Untergrund, der sehr bald die Zaehne zum Bibbern brachte. Und trotz der Kaelte, die es wirklich unmoeglich machte, entspannt die weitere Station abzuwarten, schauten wir uns jede einzelne Metrostation an. Manche Stopps fuellten wir damit, dass wir aus den Tueren rannten, uns umschauten, eine Bewertung verlauten liessen und dann uns durch die schliessenden Tueren wieder in die Metro quetschten.
Irgendwann fanden wir dann auch das "achte Weltwunder". Aber wie schon gedacht, war die Station zwar pompoes und interessant (die STation, einem Piloten gewidmet, der 1937 von Moskau ueber den Nordpol nach Kanada geflogen ist), aber im Vergleich zu zum Beispiel den Pyramiden ziemlich poplig.

Als wir zum Zentrum der Stadt kamen, also zur Leninstatue (wir koennen uns vorstellen, dass alle russischen Staedte eine Leninstatue im Zentrum haben), ueberraschte uns die Stadt mit dem "Fest der Bauarbeiter". Eine Buehne war aufgebaut, davor draengten sich Schaulustige, die den Moderator mit strengem Blick verfolgten. Auf dem Platz standen ausserdem Traktoren, die von Kindern umklettert wurden. Aber die groesste Attraktion stellte der orthodoxe Priester dar, der am Strassenrand mit Weihrauch einen kleinen Jungen mit Stahlkreuz anpredigte. Den Sinn haben wir nicht verstanden, leider. Aber lustig war es schon.

Spaeter fluechteten wir vor dem Regen in ein Museum, dass uns als Studenten voellig kostenlos aufnahm, was uns dadurch den Museumsbesuch glaich schmackhafter machte. In der Sonderausstellung mit den ganz vielen Ikonen meinte die kleine russische Aufsichtsomi, dass sie uns Auslaendern die russische Kultur zeigen muss, und machte mit uns eine Fuehrung. Sie, ueberzeugte orthodoxe Christin (so unser Eindruck), zeigte uns die schoensten Ikonen und erzaehlte die Geschichten, die um sie kursieren.
Faszinierend waren auch die Bilder von Shishkin, dem Naturkuenstler schlechthin, der die russische Seele des Waldes und der Landschaft hier beeindruckend auf seinen Leinwaenden festhalten kann. Sein wahrscheinlich beruehmtestes Bild koennt ihr hier ansehen: http://photos.ya1.ru/photos/2061.jpg

Am Abend lernten wir die Weltreisende Kathi kennen, die ganz alleine durch die Welt tourt. In zwei Wochen von Frankfurt bis nach Jekaterinburg, das schindet Eindruck - ihren Blog koennt ihr auch lesen unter http://kathiweitweitweg.posterous.com/
Endlich unter uns deutschen fanierten wir durch die abendlichen Strassen Sverdlovsk (erstaunlich, aber bei den Russen heisst es immernoch so, es hat sich niemand mehr an Jekaterinburg gewoehnt) und liehen uns sogar ein Boot, um auf dem Stadtsee unsere Ruderkuenste unter Beweis zu stellen. Ich holte mir gleich drei Blasen und mein Freund ruderte uns, nachdem wir Maedels uns mit der Zeit verrudert hatten, schnell ins Ziel.

Jetzt regnet es und ich hoere draussen die Jugend mit Gitarre und Gesang ihren Abend ausklingen.
Jetzt sind wir im wahren Russland angekommen.
Auf weiteres bin ich sehr gespannt...

10.8.12

Jekaterinburg

=Sverdlovsk (benannt nach der rechten Hand Lenins! Keine Sorge, ich habe es gegoogelt, es ist nich wirklich seine Hand, sondern ein Kollege.)
Um 6 Uhr Lokalzeit angekommen, wehte uns ein frischer Wind entgegen und zauberte uns unsere erste russische Gaensehaut. Zwar war das eine gute Abwechslung zu der stehenden Luft im Zug, trotzdem frierten wir bald. Da uns unser Hostel erst ab 11 Uhr aufnehmen wollte, verbrachten wir die Zeit bis dahin am
Bahnhof. Jedem normalen Deutschen mag das lanweilig erscheinen- aber dem ist ueberhaupt nicht so! Wir haben einen Sonnenaufgang ueber den geschaeftigen Geschehen des Busbahnhofs gegenueber erlebt, einer lustigen Situation mit einem so betrunkenen Russen, dass er im Sitzen eingeschlafen ist und mit dem Kopf auf dem Tisch aufgeschlagen ist, beigewohnt und sind mit unseren Rucksaecken durch die Wartehalle am Bahnhof flaniert und die Bilder an der Decke, die die Geschichte der Stadt zusammenfassten, betrachtet.

Und nach so einem spannenden Morgen ging es in unser Hostel, eine umgebaute Wohnung eines alten Mannes, die ganze 8 Reisende aufnehmen kann. Die Wohnung, komplett mit IKEA ausgestattet, hatte eine kleine Kueche, die wir eigentlich mehr genutzt haben, als unser Zimmer, da wir nach dem Dosenfutter im Zug auf warmes, gekochtes Essen lobpriesen.

Der russische Opi, der in seinem eigenen Zimmer dort wohnt, ist leicht taub, schlecht zu Fuss unterwegs, aber dafuer hat er uns gleich ins Herz geschlossen. Mich hat er gleich Mascha getauft und mir seine Zeitschrift zugesteckt, damit ich mal ein bisschen die Politik Russlands lerne. "Ganz unter uns", fluesterte er mir, "die drei von Pussy Riot wurden von den Kommunisten engagiert, um unsere Demokratie zu stuerzen!"

Das Gute an einem kleinen Hostel ist, dass man wirklich sehr viele Menschen kennenlernt. Man muss ein ziemlicher Einzelgaenger sein, um nicht mit allen ins Gespraech zu kommen.
Unser erster Kontakt war zu einem Russen, der uns mit Haenden erklaerte, dass Gogol (ein russischer Schriftsteller) das Gehirn sprengt.
Dann das spanische Paerchen, die im Schnelldurchlauf die
Transsib machen und alles mitnehmen, was geht. Jekaterinburg klapperten sie in einem halben Tag ab, dann ging es auch schon weiter. Ihr Plan ist, oestlicher als Wladiwostok zu kommen und von dort dann nach Peking runterzufahren.
Unser Lieblingsgast ist aber der Chinese. Mit seiner Mutter unterwegs, faehrt er die Transsib von Peking nach St. Petersburg. Russisch kann er zwar nicht, dafuer aber englisch, deutsch und franzoesisch. Wir trafen uns in der Kueche am Abend und redeten auf allen Sprachen, meist aber Chinesisch, da Lilly und mein Freund das ja schon koennen. Und als ich dann noch meine zwei, drei gebrochenen Saetze zum Besten gab, war der Abend sprachlich vollkommen.

Unsere Erkundung Jekaterinburgs bestand hauptsaechlich aus dem Zaehlen der Brautpaare, die von ueberall zum See kamen.
Natuerlich haben wir die ueberaus schoene orthodoxo Kirche der Romanows gesehen, die erst vor Kurzem errichtet wurde, nach der Heiligsprechung der letzten Zarenfamilie, die nach ihrer Abdankung von Revolutionaeren erschossen wurden. Viele Bilder und Skulpturen von der Familie zierten die die Kirche, ein Maennerchor toente durch die Lautsprecher und eine grosse Treppe fuehrte uns zum Eingang der Kirche und zu unserer Ueberraschung wurden wir eingelassen, obwohl wir kurze Hosen und keine Kopfbedeckung anhatten. Innen bewunderten wir die Altare mit ihren grossen
Ikonen und schauten uns noch die Kirchen in der Naehe an.

In der Naehe besuchten wir ein Fotografiemuseum, das ueberraschenderweise nur eine Ausstellung von einem amerikanischen Kuenstler, dessen Arbeit darin bestand, auf der Fifth Avenue und auf Coney Island interessante Menschen spontan zu fotografieren. Also eigentlich hat er lusitgen Menschen seine Kamera ins Gesicht gehalten.
Daraus entstanden viele interessante, absurde und in sich schoene Fotografien.

Am Ende schliefen wir doch sehr erschoepft ein.

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