Mittwoch, 31. Oktober 2012

China - Touris, Tänze und Taschendiebe

Als mein Freund schon den Zug nach Nanjing genommen hatte und ich in mein Hostel mitten im Touristenzentrum Pekings eingezogen war, stand mir ein kompletter Sightseeing-Tag bevor. Stopp Nummer 1: Die Verbotene Stadt. Mit Moritz, dem Freund von meinem Freund, traf ich mich in der Früh und konnte meinen Augen nicht trauen, als Tausende von Besuchern trotz schlechtem Wetter und Regen mit uns durch die Tore strömten. Als wir uns die Tore mit dem riesigen Bild Maos näher betrachten und die Schrift entziffern wollten ("Möge das chinesische Reich Tausend Jahre alt werden!"), scheuchte uns ein in Zivil gekleideter Polizist weiter. "Nicht stehenbleiben", schrie er uns auf chinesisch zu und Dank seinem unfreundlichen Gesichtsausdruck verstand sogar ich, was er von uns wollte. Also schlossen wir uns den anderen Besuchern an und liefen im steten Fluss weiter. Im Vorplatz der Verbotenen Stadt kauften wir uns die teuren Karten und einen Audioguide, der uns dann viel zu leider und mit einem starken chinesischen Akzent mal unnötige Tatsachen, mal interessante Fakten erzählte - jedoch musste man sich schon sehr konzentrieren, um den Mann zu verstehen. Manchmal verlangte er auch komische Sachen, wie das Zählen der Fabeltiere auf den Dächern. Nach zwei Stunden konnte sich weder Moritz noch ich so gut konzentrieren, um ihn zu verstehen und wir gaben auf.

Was kann man über die Verbotene Stadt sagen? Sie ist riesig, rot und pompös. Aber vor allem überlaufen. An je einen Platz reihte sich ein Palast mit je einem kuriosen Namen (Palast des Himmlischen Friedens, der göttlichen Entspannung, der supertollen Erleuchtung) und man kam sofort durcheinander. in jedem der Paläste stand ein einziger Thron mit umgebenden Accessoires und vor den Toren des Palasts tummelte eine Menge Chinesen, die gar nicht reinschauen wollten, sondern das Beweisfoto schießen mussten, dagewesen zu sein. Ein komisches Gefühl beschlich mich und bald merkte ich, was neu für mich war: Egal wie viele Menschen vor mir standen, ich konnte über sie hinwegsehen - und das bei meinen durchschnittlichen 1,70 Meter. Neben jedem Palast stand ein großer Bottich, der früher immer mit Wasser aufgefüllt sein musste, für den Fall eines Feuers (was häufig vorkam, denn die Verbotene Stadt ist ja - vom Boden abgesehen - komplett aus Holz. ). Hier und da standen Fabeltiere, meistens ein Storch, eine Schildkröte und ein paar komische Vierbeiner, die am besten in 9-facher Ausfertigung auf den mit Gras bewachsenen Dächern thronten.

Nach zwei Stunden waren wir erschöpft, aber nicht annähernd mit allen Palästen fertig. Die letzteren Palästen fotografierten wir auch wie die Chinesen rein alibimäßig und zogen uns dann in das Konkubinenviertel zurück. Dort war es erstaunlich ruhig und wir genossen unsere Bananen (das sicherste Obst in China!) im Schatten der Bäume. Während unserer Pause erzählte mir Moritz von seinem Geschichtsstudium und einigen Anekdoten aus dem Chinesischen Kaiserreich.
Danach spazierten wir noch ein bisschen im Garten der Verbotenen Stadt und verließen sie dann. Auf dem Weg zur nächsten U-Bahn merkte ich, wie sehr es doch anders ist, in China nicht schwarzhaarig zu sein, denn meine blonde Begleitung wurde häufiger und intensiver beobachtet als ich mit meinen dunklen Haaren. Wieder am Eingang der Verbotenen Stadt angekommen fiel uns die Kinnlade gleichzeitig runter, denn aus den Tausenden von Besuchern am Morgen, mit denen wir uns durch die Tore drängelten, waren nun Hunderttausende geworden.

Moritz und ich stiegen in die U-Bahn und gingen einem lonely planet - Geheimtipp nach, bis wir von einem kleinen Restaurant mit 10 Tischen standen und eine Nummer ziehen mussten, da die Schlange schon so groß war. Noch draußen konnten wir unsere Bestellung abgeben und sobald wir drin saßen, wurde uns das köstliche Essen gebracht. Die Küche machte keinen schönen Eindruck, was man davon sehen konnte, aber das Essen war purer himmlischer Frieden. Danach verabschiedeten wir uns und ich kehrte in mein Hostel zurück, wo Amerikaner, Israeliten und andere Ausländer rauchend im Aufenthaltsraum saßen und Blockbuster anschauten. Dabei war es nicht mal spät.

In meinem Zimmer traf ich auf eine Weltreisende, die ich gleich mit Angeboten, was zusammen zu machen, belagerte, die aber anscheinend lieber alleine war und mein Angebot, zusammen zum Himmelstempel zu gehen, ignorierte. Geknickt ging ich das erste Mal ganz alleine auf die Straße, nahm den Bus und wurde von der Kontrolleurin an der Endhaltestelle noch bis zum Tempel begleitet. Der Tempel war schon geschlossen, aber das machte mir nichts aus. Ich wusste ja schon, wie es in China auf bekannten Plätzen, Tempeln und Palästen zuging und war nicht traurig, heute nicht noch mal im Tumult unter zu gehen.

Dafür spazierte ich im Tempelpark, lief einer schneeweißen Katze nach, verlief mich daraufhin, fand den Weg mühselig zurück und horchte auf, als ich Chorgesang vernahm. Auf dem Weg zur Gesangsquelle wurde meine Laune getrübt durch einen fetten Chinesen, der mich von hinten beim Bücken fotografierte. Ich schüttelte erbost meine Faust und fauchte ein paar Silben Chinesisch, die er natürlich nicht verstand, mit den Schultern zuckte und mich nochmal von vorne fotografierte. Ich drehte mich auf dem Absatz um und marschierte weiter. In einem kleinen Pavillon direkt neben den Mauern des Himmelstempels spielte Musik aus einer kleinen Anlage, zu der ältere chinesische Damen tanzten, sangen und drehten. Auf dem Geländer des Pavillons saß ein Deutscher (dessen war ich mir nach 3 Wochen Touri-Raten sicher), ein chinesisches Pärchen und ich und schauten zu. Mein rechter Fuß wippte erwartungsvoll mit, bereit, sofort aufzustehen und mitzutanzen, doch die Schmach überwiegte und nach 20 Minuten Beobachten ging ich weiter. Nebendran sang ein Chor Lieder, die sich sehr nach Patriotismus anhörten. Bald wurde mir langweilig und ich kehrte zu den Tänzerinnen zurück, wo ich endlich auf eine Partie Tanz
eingeladen wurde. Die süßen älteren Damen wollten mir anscheinend den Einstieg leichter machen und legten Musik auf, die nun nur aus Bass und Rap bestand, doch ich teilte ihnen so gut wie möglich mit, dass ich die andere, chinesische Musik haben wollte, während sie so cool wie möglich mit ihren Händen zur Musik fuchtelten und ihren "Booty shaketen".

Zuerst machte ich die Bewegungen nach, die sie mir zeigten, dann ging ich über, mein Können aus Bauchtanz auszupacken. Die Damen johlten und schrien mir zu. Sie lupften meinen langen Rock, um nachzusehen, was ich mit den Beinen mache, und versuchten, es nachzutanzen. Nach drei Liedern wollte ich mich verabschieden, doch sie ließen mich nicht gehen und signalisierten mir: noch ein Lied! Das eine Lied dauerte mindestens 8 Minuten und der Schweiß strömte mein Gesicht runter, während ich einen Shimmey links und einen Shimmey rechts machte. Unter Protest verabschiedete ich mich und lief davon, innerlich strahlend und wirklich froh, meinen inneren Schweinehund überwunden zu haben. Denn hätte ich es nicht gemacht, hätte ich jetzt nicht so eine schöne Erinnerung.

Die Weltreisende hingegen berichtete mir am Abend, wie sie von chinesischen Gaunern abgezogen worden war. Interessant, wie verschieden die Erfahrungen in China sein können.

Aktuelle Beiträge

Nachwort: Das Ende ist...
Hauptaussage meines Nachworts ist: Man braucht mehr...
Mimi_Lund - 4. Nov, 15:57
Rückblickend
China ist schwer einzuschätzen. Es ist anders. Man...
Mimi_Lund - 4. Nov, 15:56
Shoppen in China
Es war eine Mischung aus "froh" und "traurig", aber...
Mimi_Lund - 4. Nov, 15:55
China - Touris, Tänze...
Als mein Freund schon den Zug nach Nanjing genommen...
Mimi_Lund - 4. Nov, 15:54
Die chinesische Oper
Ich war in einer Hainan-Oper. Die Dame am Schalter...
Mimi_Lund - 4. Nov, 15:49

Suche

 

Status

Online seit 4697 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 4. Nov, 17:15

Credits

Archiv

Oktober 2012
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
 
 
 
 
 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Profil
Abmelden
Weblog abonnieren