23.08.2012
Bei den Nomaden
Am frühen Morgen, als der kleine Jurtenofen schon lange ausgebrannt war und die morgendliche Kälte durch die Schlitze zog, Iwan schon längst zum Meditieren verschwunden war und die Mücken sich zum Schlafen verzogen haben, robbten wir aus unseren kuschlig-warmen Schlafsäcken ("Ich will auch so einen") und empfingen das Frühstück der Nomaden. Es gab wieder Sahnebutter, die wir uns gierig aufs Brot schmierten. Schon bald kam die Nomadenmutter mit ihrer altmodischen Nähmaschiene und der Nomadenvater zeigte uns, wie man mit Hilfe eines Streichholzes ein Stück zusammengenähten Stoff zu einem Schlauch macht. Mit diesem kleinen weißsilbernen Schlauch, der im Durchmesser so dick war wie der Nagel meines kleinen Fingers, übten wir uns im Fädeln, was - wenn uns die Nomadenmutter half - in einem mongolischen Knopf resultierte. Wir ächzten und knüpften, wir fädelten und zerbrachen unseren Kopf, doch ganz alleine gelang es uns nie, die Anordnung der Schleifen und Schlauchenden nicht durcheinander zu bringen, doch unsere Knöpfe wurden reichlich hässlich, falls wir unsere Finger nicht mit einfädelten.
Dann haben wir unser Guidebook benutzt, um mit Hilfe der Sprachseite dem Familienherrn zu erklären, dass wir reiten wollten. Der führte uns zu einem wirklich apathisch dreinblickenden Pferd, das reichlich unglücklich damit aussah, irgendwelche Touristen auf seinem Rücken durch die Gegend transportieren zu müssen, doch der mongolische Familienvater zerrte es am Zügel und es trug uns nacheinander ein paar Schritte.
Iwan der Künstler, der seine Pferdehaarallergie durch Reiten bekämpfen wollte, setzte sich aufs Pferd, ließ ein Foto von sich knipsen und sprang dann niesend und augenreibend runter. Auf seiner Blogseite hat er den Grad seiner Augenröte nach der Pferdexposition dokumentiert - man kriegt das Bedürfnis, ihm Medizin per Post zu senden.
Doch heute gab es einen Zwischenfall mit Iwan dem Künstler. Nachdem er gestern die Lebensart der Nomaden in ihrer Einfachheit angepriesen hatte, weigerte er sich heute, auf das 10 Minuten entfernte Plumsklo zu gehen. Dazu muss man sagen, dass dieses Plumsklo an sich den Namen nicht einmal verdient hatte. Es war einfach eine Grube, auf der zwei Bretter zum Hinhocken gelegt wurden. Diese Grube war nach hinten und zu den Seiten mit einem einmeterhohen Zaun umschlossen, nach vorne war das "Klo" offen, sodass nervöse Pinkler ein Problem damit hatten, die Menschen, die Kühe und andere Tiere zu ignorieren. Iwan nahm sich das Klopapier und trottete zum Fluss, nachdem er sagte, er suche sich einen schönen Platz am Fluss für sein Geschäft. In meinem Kopf klingelte es, als ich mich an unsere Einführung im Tourbüro erinnerte: "Do NOT make a 'number 2' at the river! They drink from the river!"
Aber als alle Iwan darauf aufmerksam machten, sein Geschäft in der Klogrube zu verrichten, warf er einen Blick in ihre Richtung, verzog das Gesicht und fing an zu diskutieren, dass doch die Kühe auch überall ihre Spuren hinterlassen.
"But honey", schrie er mich an, während ich meine Hände in die Seiten stemmte und verständnislos den Kopf schüttelte, "there's shit everywhere, tell me, why can they shit here and I mustn't?!"
"Because they are only eating grass!", kam mir die Österreicherin Dani zu Hilfe, die schon seit einer Woche bei der Familie lebt. Dani hatte sich im letzten Jahr in die Mongolei so verliebt, dass sie in diesem schon einen ganzen Monat hier verbringt mit Rumreisen, mit Nomadenfamilien wohnen und die Natur genießen.
Daraufhin konnte Iwan der Künstler nichts erwidern. Aber auf die Plumsgrube ist er nicht gegangen.
Danach wurde der Ochsenkarren beladen, es ging weiter zur dritten Nomadenfamilie. Vom Karren aus winkte ich den Kindern zu, die gerade auf einen Hügel hochspazierten. Nur der kleine Merger fuhr mit seinem Opa und uns mit und durfte auch mal den Ochsen schlagen. Diese Fahrt war weniger brutal, da der Fahrer genau wusste, wie er mit dem Ochsen umgehen sollte, er peitschte ganz leicht mit einem dünnen Stück Kabel seinen Bauch, was ihn zu einem schnellen Schritt ermutigte - einige Male rannte der Ochse sogar und überholte den zu Fuß laufenden Iwan. Iwan der Künstler wurde von meinem Freund begleitet, der aus Interesse ihm zuhörte; er erzählte von den Traumworkshops, die er hinter sich hatte, von seiner Karriere auf MTV bei Top of the Pops, seinem Blog (the love train), den er nur für seine Freundin macht und wo er bei jeder Gelegenheit Menschen aufnimmt, die über die Liebe erzählen, und von seinem Seelenheil. Währenddessen sonnten Lilly und ich uns auf dem Karren, der über Stock und Stein und auch durch kleine Flüsse gezogen wurde.
Die Aussicht war phänomenal: einsame Schäfchen und Kühe auf Gipfeln, von denen man kaum eine Seele sieht, einsame, nicht zuendegebaute Winterlager für Nomadenfamilien, die sich gerade im Sommerlager auf den Umzug vorbereiteten, Grassteppe, so weit, wie das Auge reicht... Und diese Stille...
Auf dem Weg verließ uns Iwan der Künstler, der seinen Flug nach Peking heute Abend nicht verpassen wollte. Er wollte am Liebsten den Bus vom Terelj National Park um 14 Uhr nehmen und war überdrüssig, als der Nomadenvater ihm einen Platz auf einem Transporter um 12 Uhr besorgte, den man noch per Hand aufziehen musste. Iwan meckerte, kletterte aber trotzdem auf die Ladefläche, auf der ihm der Wind die Locken aus dem Gesicht fegte. Wir winkten ihm Adieu und waren uns nicht im Mindesten bewusst, dass er eich waschechter Prominenter war.
Bei der dritten Familie wurden wir von drei Kindern begrüßt, deren Augen aus ihren dreck- und popelverschmierten Gesichtern leuchteten. Die Mutter bat uns zum Tee und wir probierten ihre selbstgemachten Quarkspritzplätzchen, von denen meinem Freund auch nur beim Gedanken noch den ganzen Tag übel war. Danach durften Lilly und ich zusammen mit Arztspritzen weitere Plätzchen machen, während mein Freund den größten Abstand zwischen sich und dem Quark suchte, der ihm so schlimm Brechreiz bescherte. Nachdem wir unsere unschöne Produktion beendeten, beanspruchten die Kinder unsere ganze Aufmerksamkeit. Sie wollten geflogen, geritten und geworfen werden und setzten ihre Wünsche durch Schlagen, kneifen und Würgen durch. Dadurch lernten wir ein wichtiges mongolisches Wort kennen: "Uguy!" - "Nein". Wenn ich jetzt überlege - ich weiß nicht, was "ja" bedeutet...
Sobald wir ein bisschen Ruhe von den rabiaten, aber trotzdem süßen, Kindern mit ihren grün-schleimigen Rotznasen hatten, legten wir uns in die Sonnen und dachten über den Sinn des Lebens nach, bis wir in einen Dämmerschlaf fielen. Doch der Hunger trieb uns in die Küche, wo die Frauen schon das Essen bereiteten. Lilly, mein Freund und ich boten natürlich unsere Hilfe an, die die zwei Schwestern, eine 23, ein Kind, die andere 16, verheiratet, gerne annahmen und dann aber staunen mussten, wie ungeschickt wir den Teig kneteten, rollten und klebten. Ich bin mir sicher, dass für mindestens heute Abend von den deutschen Frauen geredet wurde, die in der Küche ja gar nichts taugen. Vor allem ich, kein Freund von Teig im Allgemeinen, rollte unförmig hässliche Lappen aus und versuchte verzweifelt eine Möglichkeit zu finden, die Füllung darin einzuschließen. Die mongolische Frau schloss - zack, zack - ganz schnell das Lammfleisch und den Kartoffelbrei in den Teig ein und lachte meine Versuche laut aus. Die gefüllten Taschen wurden in heißem Öl gebraten und schmeckten so herrlich knusprig und fleischig, dass jeder von uns Nachschlag wollte.
Die Zeit war vorangeschritten und unser Bus kam schon in einer dreiviertel Stunden, als wir uns wieder auf einen Ochsenkarren pflanzten und von einem 15-jährigen mongolischen Jungen mit einem frechen Lächeln und einer Hand voll grauen Haaren in Richtung Busstation gefahren wurden. Dabei versuchten wir zu kommunizieren und als uns allen der Nerv ausging, zu raten, wie die Aneinaderreihungen von Buchstaben wohl ausgesprochen werden, sangen wir alle zusammen. Es mag ein schräges Bild abgegeben haben, als wir da zu viert auf einem Ochsenkarren "Love me love me, say that you love me" erst summten, dann immer lauter wurden und als uns dann der Text fehlte, wir auf Shakiras "Waka waka" in dröhnender Lautstärke übergingen. Vor allem, als wir dann einen breiten Fluss mit eisigem Wasser und starker Strömung durchquerten und die Wellen uns fast am Hintern kitzelten, sangen wir laut und beteten insgeheim, nicht von der Strömung erfasst und nass zu werden.
Ein paar Touristen saßen am Flussufer, von unserem Gesang angelockt, fotografierten sie uns, den Ochsen und die wagemutige Aktion, die ganz schön feucht hätte ausgehen können (ich bin mir sicher, die Touris hätten uns gerne umkippen sehen - einfach für den Spaß).
An einer ungekennzeichneten Busstation stiegen wir ein, winkten dem Jungen nachmal Abschied und setzten uns auf die zerfetzten Sitze. In einem langsamen Tempo lenkte der Fahrer uns an Schlaglöchern vorbei in Richtung Hauptstadt, in der Die Busfahrt zu einem eigenen Abenteuer wurde. Denn dort stellte sich das Fahrverhalten der Mongolen als purer Todeswunsch und die Straßen als kaum befahrbar raus. Während wir unserer Endstation näher kamen, fuhr dem Bus jemand hinten und der Bus jemanden an der Seite rein. Als die Insassen des lädierten Autos ausstiegen und lautstark unseren Busfahrer zu beschimpfen anfingen, dachten wir, wir kommen heute nicht mehr an, doch nach nur drei Minuten bewegten wir uns wieder auf den unmöglichen Straßen, in dem ungeheuerlichen Fluss der Irren in ihren Autos. Irgendwann wurde die Straße so schlecht, dass die Autos vor uns, die wir aus dem Busfahrerfenster beobachten konnten, sich wie eine Herde Schweine bewegte, die sich träge von einer Seite auf die andere wälzte.
Endlich in Ulan Bator angekommen, gaben wir beim Nachtwächter des Tourbüros noch unsere Schlafsäcke ab, kauften ein paar Lebensmittel für die Fahrt am nächsten Tag nach Peking ein und kehrten in unser warmes, bequemes Hostel zurück, um unsere letzte Nacht in der Mongolei zu verbringen.
Am frühen Morgen, als der kleine Jurtenofen schon lange ausgebrannt war und die morgendliche Kälte durch die Schlitze zog, Iwan schon längst zum Meditieren verschwunden war und die Mücken sich zum Schlafen verzogen haben, robbten wir aus unseren kuschlig-warmen Schlafsäcken ("Ich will auch so einen") und empfingen das Frühstück der Nomaden. Es gab wieder Sahnebutter, die wir uns gierig aufs Brot schmierten. Schon bald kam die Nomadenmutter mit ihrer altmodischen Nähmaschiene und der Nomadenvater zeigte uns, wie man mit Hilfe eines Streichholzes ein Stück zusammengenähten Stoff zu einem Schlauch macht. Mit diesem kleinen weißsilbernen Schlauch, der im Durchmesser so dick war wie der Nagel meines kleinen Fingers, übten wir uns im Fädeln, was - wenn uns die Nomadenmutter half - in einem mongolischen Knopf resultierte. Wir ächzten und knüpften, wir fädelten und zerbrachen unseren Kopf, doch ganz alleine gelang es uns nie, die Anordnung der Schleifen und Schlauchenden nicht durcheinander zu bringen, doch unsere Knöpfe wurden reichlich hässlich, falls wir unsere Finger nicht mit einfädelten.
Dann haben wir unser Guidebook benutzt, um mit Hilfe der Sprachseite dem Familienherrn zu erklären, dass wir reiten wollten. Der führte uns zu einem wirklich apathisch dreinblickenden Pferd, das reichlich unglücklich damit aussah, irgendwelche Touristen auf seinem Rücken durch die Gegend transportieren zu müssen, doch der mongolische Familienvater zerrte es am Zügel und es trug uns nacheinander ein paar Schritte.
Iwan der Künstler, der seine Pferdehaarallergie durch Reiten bekämpfen wollte, setzte sich aufs Pferd, ließ ein Foto von sich knipsen und sprang dann niesend und augenreibend runter. Auf seiner Blogseite hat er den Grad seiner Augenröte nach der Pferdexposition dokumentiert - man kriegt das Bedürfnis, ihm Medizin per Post zu senden.
Doch heute gab es einen Zwischenfall mit Iwan dem Künstler. Nachdem er gestern die Lebensart der Nomaden in ihrer Einfachheit angepriesen hatte, weigerte er sich heute, auf das 10 Minuten entfernte Plumsklo zu gehen. Dazu muss man sagen, dass dieses Plumsklo an sich den Namen nicht einmal verdient hatte. Es war einfach eine Grube, auf der zwei Bretter zum Hinhocken gelegt wurden. Diese Grube war nach hinten und zu den Seiten mit einem einmeterhohen Zaun umschlossen, nach vorne war das "Klo" offen, sodass nervöse Pinkler ein Problem damit hatten, die Menschen, die Kühe und andere Tiere zu ignorieren. Iwan nahm sich das Klopapier und trottete zum Fluss, nachdem er sagte, er suche sich einen schönen Platz am Fluss für sein Geschäft. In meinem Kopf klingelte es, als ich mich an unsere Einführung im Tourbüro erinnerte: "Do NOT make a 'number 2' at the river! They drink from the river!"
Aber als alle Iwan darauf aufmerksam machten, sein Geschäft in der Klogrube zu verrichten, warf er einen Blick in ihre Richtung, verzog das Gesicht und fing an zu diskutieren, dass doch die Kühe auch überall ihre Spuren hinterlassen.
"But honey", schrie er mich an, während ich meine Hände in die Seiten stemmte und verständnislos den Kopf schüttelte, "there's shit everywhere, tell me, why can they shit here and I mustn't?!"
"Because they are only eating grass!", kam mir die Österreicherin Dani zu Hilfe, die schon seit einer Woche bei der Familie lebt. Dani hatte sich im letzten Jahr in die Mongolei so verliebt, dass sie in diesem schon einen ganzen Monat hier verbringt mit Rumreisen, mit Nomadenfamilien wohnen und die Natur genießen.
Daraufhin konnte Iwan der Künstler nichts erwidern. Aber auf die Plumsgrube ist er nicht gegangen.
Danach wurde der Ochsenkarren beladen, es ging weiter zur dritten Nomadenfamilie. Vom Karren aus winkte ich den Kindern zu, die gerade auf einen Hügel hochspazierten. Nur der kleine Merger fuhr mit seinem Opa und uns mit und durfte auch mal den Ochsen schlagen. Diese Fahrt war weniger brutal, da der Fahrer genau wusste, wie er mit dem Ochsen umgehen sollte, er peitschte ganz leicht mit einem dünnen Stück Kabel seinen Bauch, was ihn zu einem schnellen Schritt ermutigte - einige Male rannte der Ochse sogar und überholte den zu Fuß laufenden Iwan. Iwan der Künstler wurde von meinem Freund begleitet, der aus Interesse ihm zuhörte; er erzählte von den Traumworkshops, die er hinter sich hatte, von seiner Karriere auf MTV bei Top of the Pops, seinem Blog (the love train), den er nur für seine Freundin macht und wo er bei jeder Gelegenheit Menschen aufnimmt, die über die Liebe erzählen, und von seinem Seelenheil. Währenddessen sonnten Lilly und ich uns auf dem Karren, der über Stock und Stein und auch durch kleine Flüsse gezogen wurde.
Die Aussicht war phänomenal: einsame Schäfchen und Kühe auf Gipfeln, von denen man kaum eine Seele sieht, einsame, nicht zuendegebaute Winterlager für Nomadenfamilien, die sich gerade im Sommerlager auf den Umzug vorbereiteten, Grassteppe, so weit, wie das Auge reicht... Und diese Stille...
Auf dem Weg verließ uns Iwan der Künstler, der seinen Flug nach Peking heute Abend nicht verpassen wollte. Er wollte am Liebsten den Bus vom Terelj National Park um 14 Uhr nehmen und war überdrüssig, als der Nomadenvater ihm einen Platz auf einem Transporter um 12 Uhr besorgte, den man noch per Hand aufziehen musste. Iwan meckerte, kletterte aber trotzdem auf die Ladefläche, auf der ihm der Wind die Locken aus dem Gesicht fegte. Wir winkten ihm Adieu und waren uns nicht im Mindesten bewusst, dass er eich waschechter Prominenter war.
Bei der dritten Familie wurden wir von drei Kindern begrüßt, deren Augen aus ihren dreck- und popelverschmierten Gesichtern leuchteten. Die Mutter bat uns zum Tee und wir probierten ihre selbstgemachten Quarkspritzplätzchen, von denen meinem Freund auch nur beim Gedanken noch den ganzen Tag übel war. Danach durften Lilly und ich zusammen mit Arztspritzen weitere Plätzchen machen, während mein Freund den größten Abstand zwischen sich und dem Quark suchte, der ihm so schlimm Brechreiz bescherte. Nachdem wir unsere unschöne Produktion beendeten, beanspruchten die Kinder unsere ganze Aufmerksamkeit. Sie wollten geflogen, geritten und geworfen werden und setzten ihre Wünsche durch Schlagen, kneifen und Würgen durch. Dadurch lernten wir ein wichtiges mongolisches Wort kennen: "Uguy!" - "Nein". Wenn ich jetzt überlege - ich weiß nicht, was "ja" bedeutet...
Sobald wir ein bisschen Ruhe von den rabiaten, aber trotzdem süßen, Kindern mit ihren grün-schleimigen Rotznasen hatten, legten wir uns in die Sonnen und dachten über den Sinn des Lebens nach, bis wir in einen Dämmerschlaf fielen. Doch der Hunger trieb uns in die Küche, wo die Frauen schon das Essen bereiteten. Lilly, mein Freund und ich boten natürlich unsere Hilfe an, die die zwei Schwestern, eine 23, ein Kind, die andere 16, verheiratet, gerne annahmen und dann aber staunen mussten, wie ungeschickt wir den Teig kneteten, rollten und klebten. Ich bin mir sicher, dass für mindestens heute Abend von den deutschen Frauen geredet wurde, die in der Küche ja gar nichts taugen. Vor allem ich, kein Freund von Teig im Allgemeinen, rollte unförmig hässliche Lappen aus und versuchte verzweifelt eine Möglichkeit zu finden, die Füllung darin einzuschließen. Die mongolische Frau schloss - zack, zack - ganz schnell das Lammfleisch und den Kartoffelbrei in den Teig ein und lachte meine Versuche laut aus. Die gefüllten Taschen wurden in heißem Öl gebraten und schmeckten so herrlich knusprig und fleischig, dass jeder von uns Nachschlag wollte.
Die Zeit war vorangeschritten und unser Bus kam schon in einer dreiviertel Stunden, als wir uns wieder auf einen Ochsenkarren pflanzten und von einem 15-jährigen mongolischen Jungen mit einem frechen Lächeln und einer Hand voll grauen Haaren in Richtung Busstation gefahren wurden. Dabei versuchten wir zu kommunizieren und als uns allen der Nerv ausging, zu raten, wie die Aneinaderreihungen von Buchstaben wohl ausgesprochen werden, sangen wir alle zusammen. Es mag ein schräges Bild abgegeben haben, als wir da zu viert auf einem Ochsenkarren "Love me love me, say that you love me" erst summten, dann immer lauter wurden und als uns dann der Text fehlte, wir auf Shakiras "Waka waka" in dröhnender Lautstärke übergingen. Vor allem, als wir dann einen breiten Fluss mit eisigem Wasser und starker Strömung durchquerten und die Wellen uns fast am Hintern kitzelten, sangen wir laut und beteten insgeheim, nicht von der Strömung erfasst und nass zu werden.
Ein paar Touristen saßen am Flussufer, von unserem Gesang angelockt, fotografierten sie uns, den Ochsen und die wagemutige Aktion, die ganz schön feucht hätte ausgehen können (ich bin mir sicher, die Touris hätten uns gerne umkippen sehen - einfach für den Spaß).
An einer ungekennzeichneten Busstation stiegen wir ein, winkten dem Jungen nachmal Abschied und setzten uns auf die zerfetzten Sitze. In einem langsamen Tempo lenkte der Fahrer uns an Schlaglöchern vorbei in Richtung Hauptstadt, in der Die Busfahrt zu einem eigenen Abenteuer wurde. Denn dort stellte sich das Fahrverhalten der Mongolen als purer Todeswunsch und die Straßen als kaum befahrbar raus. Während wir unserer Endstation näher kamen, fuhr dem Bus jemand hinten und der Bus jemanden an der Seite rein. Als die Insassen des lädierten Autos ausstiegen und lautstark unseren Busfahrer zu beschimpfen anfingen, dachten wir, wir kommen heute nicht mehr an, doch nach nur drei Minuten bewegten wir uns wieder auf den unmöglichen Straßen, in dem ungeheuerlichen Fluss der Irren in ihren Autos. Irgendwann wurde die Straße so schlecht, dass die Autos vor uns, die wir aus dem Busfahrerfenster beobachten konnten, sich wie eine Herde Schweine bewegte, die sich träge von einer Seite auf die andere wälzte.
Endlich in Ulan Bator angekommen, gaben wir beim Nachtwächter des Tourbüros noch unsere Schlafsäcke ab, kauften ein paar Lebensmittel für die Fahrt am nächsten Tag nach Peking ein und kehrten in unser warmes, bequemes Hostel zurück, um unsere letzte Nacht in der Mongolei zu verbringen.
Mimi_Lund - 7. Sep, 21:59