Irkutsk
Nach 50 Stunden Zugfahrt wachten wir in unseren engen Betten auf und fruehstueckten gemuetlich auf den wenigen freien Plaetzen, die einen Tisch und gute Aussicht durchs Fenster boten. Bald schon, nur noch 6 Stunden, dann sind wir da, sagten wir uns immerwieder und trauerten schon der schoenen Zugfahrt hinterher.
In Irkutsk angekommen erwartete uns ein Landschaftswechsel. "Das ist ja wie in China", meinte mein Freund und ich schaute mich um. Ueberall wuselten asiatisch aussehende braungebrannte Maenner und versuchten, jeden Ausgestiegenen in ihr Taxi zu locken. Grosse gelbe, rote und blaue Werbebanner zierten die Haeuser gegenueber vom Bahnhof. Die Strasse, deren unzaehlige Schlagloecher mit Pfuetzen gefuellt waren, fuehrte nur in zwei Richtungen und beide sahen nicht einladend aus. Doch anhand unserer Wegbeschreibung fanden wir recht schnell zu unserem Hostel, was mal wieder wie eine umbearbeitete Eigentumswohnung aussah. Im Hostel wurden wir mit fliessendem Englisch begruesst und von einer sauberen Toilette erfreut. Das gemuetliche Wohnzimmer, das direkt mit der Kueche verbunden war, wurde von vier Hollaendern belagert, die am Esstisch einen Actionfilm ueber den Gemeinschaftscomputer schauten.
Es war schon Abend, als wir unsere Zimmer bezogen, aber unsere leeren Maegen und die Neugierde auf die neue Stadt trieben uns raus. Zwar schauen Staedte im Dunkeln an sich nicht besonders gut aus, aber Irkutsk fesselte uns auch bei schwacher Beleuchtung mit seinen pompoesen Bauten und natuerlich auch der Leninstatue im Zentrum. Bis jetzt gab es wirklich in jeder russischen Stadt den russischen Revolutionaer mit wehendem Mantel und vorauszeigendem Finger in der Mitte der Stadt. Nachdem wir keine kleine Imbissbude fanden, statteten wir dem naechsten "Produkti" (wie es meine Mitreisenden nennen; ein kleiner Supermarkt im Tante Emma Stil) einen Besuch ab und assen unser aufgewaermtes Essen im Hostel.
Das Gute an Hostels - man lernt viele nette Leute kennen. Wir unterhielten uns mit den Hollaendern, die mit ihren Motorraedern Kasachstan erkundet haben und jetzt die Transsibstrecke entlang fahren. Und wir lernten den deutschen Thorsten kennen, der von seiner Arbeit am Great Baikal Trail letztes Jahr so begeistert war, dass er dieses Jahr durch das Baikalgebiet backpackt. Der Great Baikal Trail fuehrt um den Baikal herum, ist aber noch nicht ganz ausgebaut, sodass jedes Jahr Volontaere aus aller Welt mitbauen duerfen.
Das heiss erwartete Bett gab uns jeden Komfort, den wir in der Bahn vermissten: Breite, Laenge und weniger Leute, die zum Klo vorbeihuschen.
Mimi_Lund - 19. Aug, 12:37
Bolshoe Goloustnoe - Kadiljnaja
Nachdem jeder noch seinen Magen gefuellt und die letzten Sachen gepackt hat, gingen wir noch ein letztes Mal auf das Plumsklo und machten uns auf den Weg zu unserem zweiten Baikalstopp - Kadiljnaja, 20 km am Baikalsee entlang.
Doch zuerst muss man, wie das so ist, den Eintritt in den Baikaler Nationalpark zahlen. Das Buero, die bergnaheste Huette im Dorf, fanden wir Dank Tujana schnell und wurden von vier dahinvegetierenden Rangern begruesst. Die in Kriegsstrampler (die mit den verschiedenen gruenen Flecken) angezogenen Maenner verteilten sich auf den kargen Raum mit den zwei Buerotischen und fingen an, wichtig zu sein. Waehrend der eine unsere Erlaubnis per Hand schrieb, schaute der andere boese in die Luft. Wir zahlten pro Nase pro Tag und erhielten eine kleine Urkunde, die wir auf Nachfrage jedem Ranger im Wald zeigen mussten. Nach nur 10 Minuten "Amt" und fuer russische Verhaeltnisse netter Behandlung waren wir befugt, unsere Wanderung anzutreten.
Die zentrale Strasse, die als einzige asphaltiert ist, fuehrte uns an verschiedenen Huetten, einer Kirche und einem Leninkopf im Garten eines bewohnten Hauses zum Baikalsee, an dem nun der Wanderweg startete. Irgendwann am Anfang der Strasse lief uns ein schwarzer grosser Hund zu, der an uns schnupperte und meinen Freund und Lilly ein bisschen verschreckte. Doch als er anfing, uns staendig vorauszulaufen, gewoehnten sich die beiden an seinen Anblick. Der Hund, mit seinen paar grauen Stellen im Fell, kannte anscheinend den Weg und begleitete uns, denn er blieb immerwieder stehen, schaute sich um und versicherte sich, dass wir ihm folgen. Schon bald hielten wir nach ihm Ausschau, doch insgeheim machte ich mir Sorgen, er koennte sich an uns so sehr gewoehnen, dass er dann nicht versteht, dass wir ihn nicht mitnehmen und fuer ihn sorgen.
Im Hinterkopf hatte ich die beruehmte Geschichte eines russischen Poeten ueber einen Hund, der in Touristen Menschen findet, die ihn liebhaben und gut behandeln, doch als sie dann weggehen, fuehlt sich der Hund so verlassen, dass jeder, der die Geschichte liest, sich vornimmt, nett zu den sabbrigen Vierbeinern zu sein.
Doch der Hund verlangte keine Streicheleinheiten, bellte nicht nach Leckerlis, er beleitete uns einfach auf dem Weg. An unserem ersten Stopp, wo wir zum ersten Mal aus dem Baikalsee schluerften, legte er sich hin und schlief eine Runde. Es dauerte naemlich seine Zeit, bis wir die beste Methode fuer das Wasserschoepfen entwickelten. Mein Freund war sehr stolz auf seine Konstruktion, die er aus Draht und einem Flaeschchen bastelte. Doch wir undankbaren Maedels wuerdigten seine Erfindung mit nur einem einzigen Foto und schoepften dann mit unserem legendaeren Plastikbecher (der schon in der Transsib schwarzen Tee und in der Vornacht den ersten russischen Wodka servierte) das klare frische Wasser aus dem grossen See.
Der kalte Wind, der unbarmherzig durch jede kleinste Pore drang und in den Nacken kletterte, trieb und bald weiter und der Hund rannte wie immer vor. Unser Weg fuehrte uns an den hohen und den steinigen Ufern entlang, fuehrte uns in die russischen Waelder, an Klippen vorbei und der Sonne engegen. Der Himmel war bewoelkt, aber die Sonne fand ihren Weg hindurch und gab uns einen schoeneren Ausblick, als wir je erwartet haetten.
Zwischendurch trafen wir ein ukrainisches Paerchen, das nach ihrer Tramp-Reise nach Peking jetzt auf ihrem Rueckweg auch den Baikal erobert, und unterhielten uns ein wenig mit denen. Sie fragten uns nach unserem Hund und wir antworteten, dass wir nicht einmal einen Namen fuer ihn hatten. Aber schon bald trennten sich unsere Wege und wir wuenschten uns gegenseitig einen guetigen Wettergott.
Irgendwann verliess uns der Hund und einerseits waren wir alle traurig, die weitere Wanderung ohne unseren treuen Weggefaehrten bestreiten zu muessen, aber andererseits war ich erleichtert, dass der Hund wahrscheinlich zu sich nach Hause gelaufen ist, wo er sicherlich auch erwartet wurde. Der Weg wurde nasser, denn es fing an zu nieseln und die sich auf den Blaettern und Straeuchern ansammelnde Fluessigkeit streiften wir mit unseren Beinen ab. Schon bald waren alle ab den Knien plitschnass und in den Schuhen meines Freundes konnte man den sinkenden und steigenden Wasserspiegel bei jedem Schritt erkennen.
Doch bald wurde der Regen staerker und das Laufen unangenehmer. An einer Stelle nahmen wir eine falsche Abzweigung, die uns am Ufer entlangfuehrte, das nicht immer leicht begehbar war. Nach einer langen Weile, als wir die ersten Kuhfladen vor unseren Fuessen fanden, schaetzten wir uns nicht weit von der Zivilisation und freuten uns auf die Unterkunft.
Als wir endlich ankamen, durchnaesst und fertig, wurden wir von ein paar nett grinsenden Maennern empfangen und mussten gleich unsere Nationalparkerlaubnis vorzeigen. Gegen eine fast symbolische Summe durften wir einkehren, aber auch erkennen, dass es in dem Bettenhaus kaum waermer war als draussen. Zum Glueck kam eine moskauer Reisegruppe vorbei, fuer die es sich lohnte, trotz Sommer (man bemerke, dass es fuer die Sibirjaken auch bei 8 Grad keinen Grund fuers Heizen gibt) den Ofen anzufeuern. Ich nutzte gleich die Gelegenheit, alle unsere triefenden und stinkenden Sachen zum Trocknen ueber dem traditionell weissen Ofen aufzuhaengen.
Das Klo in dieser Unterbringung war zwar fortschrittlicher, mit Spuelung und Kloschuessel, war aber zu weit weg (hinter einem Zaun, neben einem Pferd, das graste) um es wertzuschaetzen.
Die fuenf Huetten, die in diesem kleinen Ort standen (fuer zwei Familien, die hier wohnten, zwei Fischer auf Durchreise und die wechselnden Gaeste) wurden von Pferden, Kuehen und einem Kater bewacht.
Das schneeweisse Katerchen mit den orangen Flecken, weckte in jedem einen Kuscheltrieb und schnerrte und schmuste sehr, wenn man anfing, ihn zu streicheln.
Spaeter lernten wir zwei deutsche Wanderer aus Berlin kennen, mit denen wir uns gleich zum Abendessen verabredeten und zusammen einen weiteren Wodka probierten. Unser Fazit war, dass selbst der mittelbillige Wodka in Russland besser schmeckt, besser aufwaermt und weniger Kopfschmerzen bereitet, als ein teurer Wodka in Deutschland.
Mit ein bisschen Wodka liess es sich wunderbar ueber Politik Deutschlands, Russlands und eigentlich auch der ganzen Welt gut diskutieren, bis die eingebrochene Nacht uns in unsere Betten zog.
Mimi_Lund - 16. Aug, 19:06
Irkutsk - Bolshoe Goloustnoe
Dieses Dorf wird euch wahrscheinlich nichts sagen - aber es ist in unserem Reisefuehrer, also haben wir uns auf den Weg gemacht, es zu erkunden.
Unsere Nacht in Irkutsk haben wir genossen und gleich am Morgen des naechsten Tages gepackt und uns aufgemacht, die Sehenswuerdigkeiten der Stadt abzuklappern und dabei den Busbahnhof und den City-Markt zu finden.
Doch zuvor lernten wir den Deutschen Lars kennen, der vor allem mich zu der Person erwaehlte, der er erstens seine Lebensgeschichte und zweitens die seine Lebensweisheiten eroeffnet hat. Schon nach zwei Minuten Redeschwall machte ich mir die Gedankennotiz, niemanden mehr ohne gruendliches Beobachten und Abwaegen anzusprechen. Mich rettete seine Muedigkeit und ich fluechtete aus dem Gespraech, das mich noch lange verfolgen wird.
Wie schon in der Nacht vermutet, zeigte uns die Stadt im Licht ihre Schoenheit und wir erkundeten die wichtigsten Strassen: Leninstrasse und Karl-Marx-Strasse. Der Markt entpuppte sich als ueberdimensionales Gebaeude mit extrem vielen kleinen Staenden, wo meistens das Gleiche verkauft wurde. Mein Freund wurde gleich von einem Stand mit eingelegten Lebensmitteln. Die Frau, vom Aussehen Burjatin, witterte ihre Chance und legte schon die ersten Leckerheiten bereit zum Probieren. Nach den ersten Geschmackexplosionen beschlossen wir, doch was zu kaufen, ohne wirklich zu wissen, ob sie uns Deutsche nicht uebers Ohr hauen koennte. Mit ihren schnellen Bewegungen fischte sie aus jeder Koestlichkeit einen Happen fuer jeden und liess uns probieren. Schnell wurden aus einem Becherchen gleich drei und 300 Rubel waren weg. Dafuer bekamen wir auch noch was geschenkt, ein paar Hundert Gramm zum Probieren und Fingerschlecken.
An anderen Staenden wurden frische und geraeucherte Fische angepriesen, Fleisch an den Mann gebracht und Torten ueber den Tresen gereicht. Die innenohrschaedigenden Konversationen dabei verstand nur ich;
"Lecker Fleisch, ganz viel ganz guenstig, kauft kauft!"
"Salate, Salate, wer will Salate? Ganz billig!"
"Der Preis ist fuer 100g gedacht, koennen Sie nicht rechnen?"
"Ich spreche Sie hoeflich mit 'Sie' an, was soll jetzt das 'Du'?!"
"400 Rubel pro Kilo? Sowas gibt es auch nur in Russland, das kann ja wirklich nicht sein!"
"Torte, Torte, ganz lecker, ganz billig!"
"Hey, willst du Handy? Sicher nicht gestohlen."
Vom Markt noch ganz mitgenommen, stapften wir entlang des Flusses Angara. Immerwieder fanden wir Liebeserklaerungen, Entschuldigungen und Anleitungen fuers Laecheln auf den Boden gesprayt. Sehr interessant war auch unsere Begegnung mit der russischen Jugend, maximal 15 Jahre alt, die rauchte und schimpfte, wie Kriegsveteranen mit Alkoholproblem.
Der Angara, ein klarer, kalter Fluss, bewegte sich zwar kaum in der Naehe des Ufers, liess aber seine Stroemung in der Mitte durch die kraeuselnden Wellen erahnen. Eine russische Legende (und ich weiss nicht, ob ich sie nicht schon erwaehnt habe, also bitte ich zu entschuldigen, falls ich mich wiederhole) besagt, dass Vaeterchen Baikal eine Tochter hatte - Tochter Angara. Aber Angara verliebte sich gegen Vaters Willen in einen grossen russischen Fluss, den Jenissej. Doch Vaeterchen Baikal war gegen sie Liebe und so blieb Angara nur die Flucht zu ihrem Liebsten. Und so fliesst also die Angara als einziger Fluss auf der Welt aus einem See hinaus und muendet im Jenissej.
Am Busbahnhof angekommen hatten wir noch viel Zeit, um uns durchzufragen, wo denn der Bus nach Bolshoe Goloustnoe faehrt. Immer woanders hin manoevriert, fand mein Freund als erster den Bus, der mit seinem alten und staubigen Aussehen keinen sicheren Eindruck machte. Der Fahrer, seine Haut sonnengegerbt und seine Stimme nikotinverbraucht, wies uns in unsere vorgebuchten Plaetze. Die Plaetze zu reservieren war ein Abenteuer fuer sich, da man nur an bestimmten Tagen zu einer bestimmten Zeit den Chauffeur persoenlich anrufen musste. Das waere kein Problem gewesen, saesse ich nicht zu diesem Zeitpunkt im Zug, wuerde mein Schlafrhythmus nicht nach Moskauer Zeit funktionieren und gaebe es nicht nur an wenigen Zwischenstopps des Zuges Netz. Und so stand ich in der Frueh um 6 Uhr auf und versuchte an jeder Station anzurufen, bis endlich das Handy mich verband. Der Chauffeur schrieb sich meinen Namen erst beim dritten Mal Buchstabieren in seinen kleinen College-Block, von dem er dann ihr heute wieder komplett falsch ablas.
Im Bus mussten manche Leute stehenbleiben, so voll war es. Und stehenzubleiben war eine gar nicht allzu leichte Geschichte. Denn bald hinter den Grenzen Irkutsks endete der schoene Asphalt und danach kamen gefuehlt nur noch Schlagloecher. Wer keine Probleme mit Reisekrankheit hatte, wurde schnell vom schaukelnden Fahren eingelullt. Die anderen hielten sich fest und bissen die Zaehne zusammen. Ich verschlief die ersten 30 Kilometer und beobachtete dann die Vegetationen, die an uns vorbeiglitten. Birkenwaelder, Muell und Staub begleiteten unsere Busfahrt. Die Staubwolke zog weit hinter uns Kreise und die wenigen Autos, die uns entgegenkamen, konnten froh sein, ihre Fenster geschlossen zu haben.
Nach einer Stunde wurde eine Pinkel- und Raucherpause eingelegt, etwas, was in Deutschland heutzutage entweder mit Augenverdrehen und Diskussionen ueber den insuffizienten Bau einer weiblichen Blase oder mit Belehrungen ueber die schaedliche Wirkung von Nikotin einhergeht. Aber im tiefen Russland ist das alles egal.
Ab und an kamen wir an kleinen hoelzernen Huetten vorbei, die nur durch ihre weissen Tuellvorhaenge vermuten liessen, dass Einwohner dort verweilen. Kinder spielten auf der Dorfstrasse mit Hunden, Omis auf Baenken winkten dem Fahrer und einigen Insassen des Busses zu. Der immer staerker werdende Wind blies den Staub in die Sicht des Fahrers, der sicher und vorsichtig an den groessten Schlagloechern vorbeinavigierte. Die Menschen, die mal aus- und einsteigen machten den Eindruck, dass es draussen kaelter war als in Irkutsk.
Als ich im Bus fragte, wo ich am besten aussteigen sollte (auf den ersten Blick durch das Dorf musste ich mich doch wundern, ob es wirklich sein kann, dass ein Dorf von den Ausmassen ueberhaupt eine Station namens 'Schule' haben koennte), fragte mich gleich eine Burjatin, ob ich denn Mimi sei, denn sie sei die Vermieterin und dachte sich schon, dass wir mit dem einzigen Bus des Tages ankommen wuerden.
Wir steigen zusammen aus und das 1000-Seelen-Dorf (welches wirklich nach weniger aussah) breitete sich in seiner gesamten Schoenheit vor uns aus. Die kleinen Huetten, aus einem dunklen Holz gebaut, gaben dem Ort etwas gemuetlich Verschlafenes, und hinter ihnen erstreckte sich auch schon der Baikalsee, der unter dem schwachen Sonnenlicht blau lauchtete.
Tujana, so stellte sie sich vor, fuehrte uns auf dem erdigen Boden an den Pferden, die neben der Hauptstrasse grasten, vorbei an unsere Behausung. Durch ein Loch im Holzzaun griff sie durch, schob den Riegel auf der anderen Seite weg und vor uns breitete sich eine grosse Wiese mit ein paar kleinen hoelzernen Haeusern aus. "Ich habe meine Schaefchen heute druebergeschickt, die haben fuer mich den Rasen gemacht. Deswegen wundert euch nicht ueber die Koettel", sagte sie und steig mit ihren zerschlissenen Schuhen, aus denen ihr grosser Zeh ragte, ueber einen groesseren Haufen Schafexkremente. Sie zeigte uns das Betthaus, in dem wir diese Nacht alleine schliefen, die Kueche, die auf 5 qm alles beinhaltete, was man braucht, ausser ein Spuelbecken. In einem grossen Bottich stand das Trinkwasser direkt aus dem Baikalsee, das man mit einem grossen Schoepfloeffel umfuellen konnte. Das Plumsklo, natuerlich nach alter Manier im Garten und mit einer Tuer, die weniger verdeckt,als sie entbloesst, ueberraschte uns mit seinem akkuraten Bau, dem wenigen Gestank und den symmetrisch angebrachten Holzlatten fuer die Fuesse an beiden Seiten des Loches.
Nachdem Tujana uns noch eingeschaerft hatte, das Klopapier in den Eimer daneben zu werfen, entliess sie uns in den Abend.
Der Magen trieb uns wie immer in ein Lebensmittelgeschaeft, das Lilly unbedingt fotografieren wollte - es war zu lustig zu sehen, wie die eine Haelfte des Ladens Essen und die andere Haelfte Wodka zum Verkauf anbot. Der frische Fisch auf der Theke lachte uns so sehr an, dass wir sofort zuschlugen, nicht ohne nochmal die junge Verkaeuferin gefragt zu haben, wie man ihn am besten zubereitet.
Daheim veranstaltete ich meine erste Lehrstunde im Ausnehmen eines Fisches - gut dass ich bei meiner Mutter so gut aufgepasst hatte, jetzt konnte ich mich wichtigtuerisch vor dem Kuechentisch aufbauen und jeden in seine Schranken weisen, der das Messer auch nur falsch in der Hand hielt. Dass ich selbst erst gerade mal einen oder vielleicht zwei Fische eigenhaendig ausgenommen hatte, liess ich unter den Tisch fallen. Wie damals mein Professor sagte "Bluffen ist wichtiger als wissen!".
Mit unseren eingelegten Vorspeisen fast sattgegessen, machten wir uns ueber den im Ofen gebackenen Fisch mit Kartoffeln her und waren erstaunt, dass man sogar als Nichtgourmet den Unterschied zwischen frischem russischen und gefrorenem deutschen Fisch (ausgenommen Hafenstaedte!) schmecken kann.
Nach einem schmackhaften Essen muss man ruhn - oder Tausend Schritte tun. Wir entschieden, dass unseren Baeuchen ein Spaziergang gut tun wuerde und stapften der Nase nach raus. Abeuteuerlustig nahmen wir eine Abkuerzung zum Baikalsee und verliessen die Strasse. Im Hellen waere uns vielleicht aufgefallen, dass der Baikalsee weit weg ist und die Umgebung komischerweise viele kleine Huegel hat. Haetten wir auch vorher auf unsere Karte vom Dorf geschaut, haetten wir vielleicht gesehen, dass wir uns auf einen Sumpf mit lauter kleinen Baechen und Pfuetzen zubewegen. Das erste, was uns auf die moorige Umgebung aufmerksam machte, waren die Muecken, die ohne Gnade alle freien Hautareale abrasten, in Kapuzen flogen und Nasenloecher von innen betrachteten. Ploetzlich hatte ich einen nassen Fuss und es war nicht mehr allzu lustig, durch die komische Huegellandschaft zu laufen. Oft versank man zwischen zwei Grashaufen bis zu den Knoecheln und verlor fast das Gleichgewicht. Nach einem wuesten Geschimpfe von meiner Seite (zu meiner Verteidigung - mein Fuss war nass und die Muecken nervten), gaben wir den Plan auf, in einer Landschaft ohne Licht und Laternen das Baikalufer zu suchen und retteten uns auf festen Boden der Strasse, die uns wieder sicher in unser Heim fuer diese Nach brachte.
Mimi_Lund - 15. Aug, 14:51